Ayurvedakur auf Sri Lanka

Das Tagebuch einer Bekehrung

Ayurveda – ein Wort, das ich als bekennender Nicht-Esoteriker erstmal in selbige Schublade abgelegt hatte. Die vielen Erfahrungsberichte habe ich zwar wohlwollend angehört, kam jedoch nie auf die Idee, es selbst probieren zu wollen. Bis eines Tages der perfekte Moment kam: Ich war gestresst, der Freund entsorgt, der alte Job gekündigt. Ich beginne zu recherchieren und lerne dank Dr. Google, dass Ayurveda die älteste, medizinische Wissenschaft der Welt ist mit mindestens 2000-jähriger Tradition und das Ziel einer Reinigungskur (Panchakarma) darin besteht, die Doshas in Balance zu bringen. Stress, Krankheit und falsche Ernährung bringt sie ins Ungleichgewicht. Doshas? Das sind die drei Lebensenergien im Ayurveda, die jeder in seinem Körper vereint:

  • Vata (Wind, Luft/Äther), das Bewegungsprinzip
  • Pitta (Feuer/Wasser), das Feuer- bzw. Stoffwechselprinzip
  • Kapha (Erde/Wasser), das Strukturprinzip

Bei der Suche nach meinem Reiseziel fokussiere ich mich auf die Herkunftsländer Indien und das im Südosten liegende Sri Lanka. Ich stoße auf das Resort „Ayurveda Garden“ und die dazu gehörige Shakti Villa, gegründet von Herrn Böhm und seiner aus Sri Lanka stammenden Frau, mit eigenem Kräuter-und Gemüsegarten, Arzt etc. Zudem sieht die Villa so aus, als würde sie meiner Vorstellung von Urlaub entsprechen. Geklickt, gebucht, Koffer gepackt. Im Gepäck: viel Baumwollwäsche, ein Tagebuch und sonst die pure Neugierde – und auch ein bisschen Bammel.

Tag 1: Der Fahrer der Shakti Villa empfängt mich am Flughafen von Colombo. Von dort fahren wir noch mal knapp zwei Stunden Richtung Abalonga, im Südwesten Sri Lankas. Die Shakti Villa liegt direkt am Strand. Begrüßt werde ich von vier strahlenden Gesichtern. Ich habe Regen mitgebracht, nur im Gegensatz zu uns, freut man sich hier darüber. Mir wäre Sonne lieber. Aber vielleicht ist das schon eine Prüfung, nicht bloß an mich zu denken. Als erste Maßnahme werden meine vom Flug geschwollenen Füße massiert. Ich glaube, ich habe alles richtig gemacht.

Vor dem Abendessen sitze ich auf meiner Liege und genieße den Blick auf den indischen Ozean, über dessen rauen Wellen gerade die Sonne untergeht. Dann wird auch schon zum erstenmal die Glocke geläutet. Das Signal, jetzt vom heißen Wasser zu trinken, eines der wichtigsten Rituale im Ayurveda. Es steht immer bereit in der Thermoskanne auf meiner Terrasse. In einer halben Stunde läutet es wieder, diesmal zum Dinner. Beim Essen treffe ich auf die anderen Gäste. Die Shakti Villa hat 12 Plätze, wir sind zu siebt. Wie erwartet sind die meisten alleinreisende Frauen. Auf jeden Fall ist ein nettes Mädel in meinem Alter dabei, Kristina vom Bodensee. Das Essen schmeckt lecker und interessant. Ich bekomme große Portionen, weil ich am ersten Tag noch alles essen darf.

Die Shakti Villa

Jetzt wird es ernst!

Der Treatmentzettel

Tag 2: 6.26 Uhr aufstehen, genau so nicht meine Zeit. Aber da ich gestern trotz tosender Meeresbrandung um 21 Uhr tief und fest geschlafen habe, bin ich topfit. Und gerade bringt der Kellner das heiße Wasser. Ab in die Yoga-Klamotte, und um 7 Uhr mache ich bereits den herabschauenden Hund. Wenn mir das früher jemand gesagt hätte, ich hätte ihm den Vogel gezeigt. Anschließend gibt es Frühstück und meine erste Arztkonsultation.

Nach der Pulsdiagnostik stellt mir der Doktor unglaubliche Fragen, die ich alle bestätigen kann und verschreibt mir 14 Tage Panchakarmakur. Diese sei nötig bei meiner geröteten Gesichtshaut und auch dem Gewicht, das ich ja sicher wie jeder Westler reduzieren wolle. Nö, wollte ich nicht, ich wollte entstressen. Aber wenn das mit drei bis vier Kilo weniger einhergeht, nehme ich das gerne mit. Und ich bin ein Pitta-Kapha-Typ, und beide sind nicht im Lot. Ich komme mir eigentlich recht gesund vor, äußere dann aber doch ein paar Problemchen. Der Stress. Ja, kurz vor dem Burn-out.

Und dann die Haut. Rosacea, sehen Sie? Ja, sieht er. Und Allergie, Sonne und Birke. Damit sind wir auch durch. Die erste Behandlung steht bereits um 10.30 Uhr an: Kopf-, Hände-, Fuß- und Ganzkörpermassage mit warmen Öl. Was für Massage erfahrene Menschen ein Traum, ist für mich die Hölle. 90 Minuten still liegen. Mal ist es kitzelig, mal tut es schweineweh. Ich bin fix und foxi, falle danach aber völlig selig auf mein Bett. Mittags gibt es mein erstes Diätessen. Ist ok, nur wirklich wenig. Das Abendessen toppt es noch, dünne grüne Suppe und zwei Toast. Ich bin so hungrig.

Tag 3: Und täglich grüßt das Yoga-Murmeltier in Form von wie heißt er noch mal?! Mist. Egal, er macht das sehr sympathisch, vor allem schonend. Zum Yoga sind wir heute nur zu zweit. Zuerst singen wir gemeinsam ein Liedchen, shanti. Er singt vor, wir sollen mitsingen. Aber ich höre nichts von meiner Mitstreiterin, also traue ich mich auch nicht. Nach dem Yoga wird gefrühstückt. Immer erst die fiese grüne Suppe, dann Obst. Noch schlimmer die Medizin: Kräutersäfte und Pillen schmecken teilweise zum Abgewöhnen. Ansonsten bekomme ich wieder drei Massagen und ein Dampfbad.

Ekelhaft, dieses Gesöff

Tag 4: Perguation steht heute auf meinem Zettel, auf Deutsch Abführtag. Das ist wörtlich zu nehmen. Um 7.40 Uhr werde ich abgeführt in einen Behandlungsraum, wo mein Bauch mit einem heißen Kräuter-Säckchen betupft wird. Tut gut, ist aber sehr heiß. Wieder im Zimmer wartet die Ärztin mit der berüchtigten Tasse. So harmlos wie diese aussieht, so fies ist ihr Inhalt: ein dunkelbraunes Gebräu, salzig und sauer in einem. Ich versuche es mit Nase zuhalten. Lernt man ja schon als Kind. Gesagt getan, und schwupp… Das, beißende, salzige Gesöff ist mir in die Nase gelaufen und brennt höllisch. EKELHAFT!!!

Als es endlich geschafft ist, gibt mir die Ayurveda-Ärztin ein paar Anweisungen: keinen Sport (hatte ich bei 40 Grad eh nicht vor), nicht schwimmen (schon blöder) und vor allem nicht schlafen, sonst wirkt es nicht (ganz doof, wenn man nix zu tun hat). Bewegung hilft, erklärt sie noch. Also laufe ich runter zum Strand und vertrete mir in der Morgenschwüle 20 Minuten die Beine. Rechtzeitig gehe ich wieder aufs Zimmer und fange wie vorgeschrieben an, das heiße Wasser zu trinken. Und schwupp geht‘s los…

Tag 5 und 6: Ich sitze am schönsten Platz der Welt mit Musik in den Ohren. Die Sonne geht unter, das Meer liegt vor mir. Ich habe immer noch meinen Turban auf – Shirodara, der berühmte Öl-Stirnguss ist in diesen Tagen dran. Nach ayurvedischer Auffassung beruhigt er das gesamte vegetative Nervensystem, harmonisiert und gleicht aus. Ich habe gute Laune, während einige meiner Mitbewohner die Shirodara-Tage als die schwierigsten empfunden haben.
Ab heute im Chill-Modus

Tag 7 bis 9: Diese Tage sind einfach sooooo relaxed und entspannt. Kein Kopftuch, keine Nasenspülung. Der Darm wird in Frieden gelassen, und genug zu essen gibt es auch. Wir sind mittlerweile eine Dreier-WG, Kristina, Sybille und ich. Kein weiterer Gast mehr da. Heute morgen bin ich alleine beim Yoga. Danach wollen Kristina und ich ins Meer. Leider ist es so wild, dass wir zu kämpfen haben, um mit dem kompletten Bikini wieder aus den Wellen aufzutauchen. Ansonsten bin ich mittlerweile sowas von gechillt. Ach so, dann war in diesen Tagen noch ein buddhistischer Mönch da und hat uns Meditation beigebracht. Schon spannend, aber Stilsitzen und Klappehalten fällt mir schwer.

Tag 10: Es ist soweit, der erste Öleinlauf steht an. Mir graut es. Der Arzt erklärt mir, was es damit auf sich hat. Ayurveda reinigt von oben angefangen. Daher zuerst Shirodara, um die Schlacken zu lösen. Und jetzt hängt alles im Darm, das muss raus. Danach würde es mir schlagartig besser gehen. Wieder richtig durchschlafen und noch entspannter sein als bisher. Kristina hatte heute bereits den zweiten Einlauf und meint, danach wäre sie wie high gewesen. Die Prozedur ist halb so schlimm. Ich frage mich wirklich, warum ich so viel Angst davor hatte. 50 Minuten laufe ich im Zimmer auf und ab, kurz darauf ist alles vorbei.

Tag 11 bis 14: Die letzten Tage meiner Ayurveda-Kur sind mit Abstand die schönsten. Man fühlt sich leicht wie eine Feder, sieht strahlend aus. Ich genieße das Meer, die Sonne, die Ruhe und nehme mir vor, so viel wie möglich aus der Kur mit nach Hause zu nehmen. Zumindest morgens das heiße Wasser trinken, die Yoga-Übungen, die Achtsamkeit und mehr zu geben. Ich spüre diese neue Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bereits auf der Rückreise. Ich sitze am Dubai Airport und bin unfassbar tiefenentspannt. Die gestressten Reisenden, die sich gegenseitig anschimpfen oder drängeln. Ich lasse ihnen in der Schlange den Vortritt und lächle sie an. Zu Hause angekommen werde ich mit Sicherheit zu denjenigen gehören, die anderen von ihrer Ayurvedakur vorschwärmen als eines der besten Dinge, die ich je gemacht habe.

Ayurveda, Sri Lanka

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