Tauchen mit Haien

„Heute gibt es keine starke Strömung“, sagte Divemaster Hussain Sharmeel, genannt Sharky, in seinem Briefing an Bord des Tauchschiffs. „Schnell abtauchen wird nicht notwendig sein. Wir gleiten langsam am Riff herunter und beobachten die Haie.“

Ich bin das erste Mal auf den Malediven und ich tauche das erste Mal mit Haien. Meine Basisstation ist die kleine Insel Como Cocoa Island im Süd-Malé-Atoll, 40 Minuten mit dem Schnellboot vom Flughafen Malé entfernt. 350 Meter lang, 34 Überwasser-Villen, ein Restaurant und eine Bar. In der saß ich am Abend vor dem Tauchgang und trank Martini on the rocks. Die Faru-Bar auf Cocoa Island ist eine Bar, wie man sie sich verführerischer nicht vorstellen kann: Flasche neben Flasche in einem offenen Regal und ein Blick über den Tiffany-blauen Indischen Ozean, in dem die Sonne mit einer psychedelischen Lightshow jeden Abend hinter dem Horizont versinkt.

Der Adrenalinspiegel steigt

Wie man sich denken kann, war ich nervös. Martini war reine Nervennahrung. Tauchen hatte ich zwar vor Jahren am Looe Key Riff vor der Insel Big Pine Key auf den Florida Keys gelernt. Maximale Tauchtiefe dort: etwas über neun Meter. Die aufregendsten Unterwasserbegegnungen hatte ich mit Stachelrochen, die mit ihren ausgebreiteten Flügeln wie Engel schwerelos durchs Wasser glitten. Ich schwamm in einer Schule mit durchsichtig schimmernden Quallen, hin und wieder traf ich auf einem kleinen Ammenhai. Ansonsten bewunderte ich die bunte Vielfalt der Bewohner tropischer Gewässer. Haie in der Vielfalt, wie sie auf den Malediven vorkommen, kannte ich bislang nur vom Hörensagen.

Ideale Voraussetzungen für den ersten Tauchgang

Am nächsten Morgen um 9 Uhr hatten Sharky und ich nach 30 Minuten Fahrt die Tauchstelle Vaagali Thila am Süd-Malé-Atoll auf den Malediven erreicht. Hinter uns leuchtete das Wasser in sanftem Türkis. Vor uns dehnte sich dunkelblau der Indische Ozean. Die unergründliche Tiefe, das Riff fällt an dieser Stelle auf 30 Meter ab, war nur zu erahnen. Die Wassertemperatur lag bei 29 Grad an der Oberfläche, die Sicht war mit 25 Metern gut, die Strömung mit einem Knoten angegeben. Ich hatte in meinem Leben bestimmt 50 Tauchgänge absolviert. Aber das hier, trotz optimaler Bedingungen, war eine andere Sache.

Ich machte mir Sorgen wegen der Haie, wegen der Tiefe, wegen der mir unbekannten Lebewesen. Wie es sich für ein Briefing vor einem Tauchgang gehört, ließen die Anordnungen von Sharky meinen Adrenalinspiegel steigen. Hatte ich ausreichend Bleigewichte? Würde der Nitrox-Luftvorrat, der mit zusätzlichem Sauerstoff angereichert ist, genügen? Nachdem ich mit einem Riesensprung im klaren Wasser gelandet war, sank ich herab wie ein Stein. Sharky folgte mir eine Sekunde danach. Tiefer, tiefer, tiefer. Ich atmete gleichmäßig, wie er mir geraten hatte, Luftbläschen stiegen an die Wasseroberfläche, von der ich mich immer mehr entfernte. Der Ozean hatte mich verschluckt.

Zuerst kamen die Barrakudas

Die Raubfische schossen wie metallisch glänzende Torpedos pfeilgerade durch das Wasser, 20, 30, 50, sie waren nicht zu zählen. Hinter einem Überhang erspähte ich ein paar stumpfnasige Weißspitzen-Riffhaie, harmlose Wesen, die träge an der Riffwand entlangzogen. Mein Tiefenmesser zeigte 12 Meter, mein Herz machte einen Sprung. Denn jetzt kamen die ersten grauen Riffhaie angeschwommen, schlank, wendig, schnell, mit halbgeöffneten Mäulern mit sehr vielen, sehr spitzen Zähnen, Dreiecksflossen und was sonst noch zu Haien gehört. Ruhig bleiben, gleichmäßig atmen, nicht provozieren und auf keinen Fall berühren, hatte mir Sharky eingeimpft. „Haie sind scheu. Solange man ruhig mit ihnen durch das Wasser gleitet, tun sie einem nichts.“

Tauchen mit Haien: Nur keine Panik

Das Meer füllte sich mit Haien. Es war ein Strudel aus großen grauen Leibern, die sich drehten und wendeten und um mich herumtanzten. Es müssen hunderte gewesen sein. Panik stieg auf. War es mein Schicksal, mich von einem grauen Riffhai verspeisen zu lassen? Wo war Sharky? Er hing direkt hinter mir im Wasser. Er dreht sich um, schaute mir in die Augen. Hypnose durch die Taucherbrille. „Ruhig atmen“, hatte er mit eingebläut. Mein Pulsschlag verlangsamte.

Wir stiegen ein paar Meter auf, vorbei an den Höhlen, für die dieser Abschnitt des Riffs bekannt ist. Mein Atem war wieder gleichmäßig. Ich prüfte, ob nach meiner Panikattacke noch genügend Sauerstoff in der Flasche war, tarierte meinen Körper aus. Jetzt lag ich horizontal im Wasser und schaute mir den Hai-Schwarm von oben an. Eine Formation mit Adlerrochen zog wie ein Fluggeschwader über mir her. Es waren knapp 45 Minuten vergangen. Sharky und ich tauchten langsam wieder zur Wasseroberfläche auf. Tauchen mit Clownfischen auf den Keys erschien mir wie Blümchensex.

Das ultimative Malediven-Erlebnis: Schnorcheln mit Walhaien

Zurück auf dem Boot, auf dem Weg nach Como Cocoa Island, servierte mir die Crew einen heißen Ingwer-Honig-Tee. Kraft tanken, es war noch ein weiteres Abenteuer angesetzt. Dafür war ein Flug mit dem Wasserflugzeug notwendig, zur Hanifaru Bay im Baa Atoll, rund 160 Kilometer von Como Cocoa Island entfernt. Der Süd-West-Monsum hatte die Hanifaru Bay mit einem Übermaß an Plankton versorgt. Die winzig kleinen Organismen schweben in freien Gewässern und sind die Lieblingsspeise von Walhaien.

Die Taucherausrüstung blieb auf der Insel. Bikini und Schnorchel reichen für eine Begegnung mit dem größten Hai und auch dem größten Fisch der Gegenwart. Wir landeten in der Dämmerung. Ein kleines Boot brachte uns zu der Stelle, wo vorher Walhaie gesichtet wurden. Der Bootsführer richtete die Scheinwerfer ins Wasser. Der Lichtkegel ließ das Plankton leuchten wie Glühwürmchen. Das zieht die Walhaie an, hatte mir Sharky erklärt. Ich glitt ins Wasser und schnorchelte langsam in zwei Meter Entfernung um das Boot herum.

Ein Fisch, so groß wie ein Hochhaus

Ein riesiges Tier tauchte von unten auf, so groß wie ein Hochhaus – so kam mir das jedenfalls vor. Ein Walhai! Diese Urviecher können eine Länge von bis zu 14 Metern erreichen. Mit verblüffend eleganten Bewegungen schwänzelte er in Richtung Wasseroberfläche, das Maul schnappte erwartungsvoll auf und zu. Tausende spitze Zähne funkelten. Er war ein wunderschönes Geschöpf mit einer Dreieckflosse so groß wie das Segel einer Giga-Yacht und Flecken wie ein Leopard. Ich vernahm ein sphärisches Schnaufen und Prusten. Der Walhai stand jetzt senkrecht im Wasser, den Kopf zur Oberfläche gerichtet und saugte das planktongesättigte Wasser ein, bis zu 6000 Liter schafft er pro Stunde. Sein Appetit– Gottlob nicht auf Menschen – ist enorm. Ich war vor Glück sprachlos und beseelt und kam mir unbedeutend und klein vor in dem unendlichen Universum der Unterwasserwelt.

Reisehinweise für die Malediven

Einreise:
Die Einreise ist für Touristen mit einer Buchungsbestätigung in einem Resort für die gesamte Dauer des Aufenthalts möglich. Visa werden bei Einreise kostenlos erteilt. Des Weiteren müssen Reisende bei Einreise ein negatives PCR-Testergebnis vorlegen. Der Abstrich darf maximal 96 Stunden vor Abflug genommen worden sein. Daneben ist die Abgabe einer elektronischen Einreiseerklärung, die vor Abflug auf der Internetseite der maledivischen Grenzbehörden ausgefüllt werden muss, verpflichtend. Der Aufenthalt von Reisenden ist grundsätzlich auf das gebuchte Resort beschränkt. Bei geplanten Aufenthalten in mehreren Resorts kann ein sogenannter Split Stay beim maledivischen Tourismusministerium beantragt werden.

Ausreise:
Beachten Sie bei Rückreise nach Deutschland die gültigen Einreisebeschränkungen wie Anmelde-, Test- und Quarantäneregelungen und kontaktieren Sie bei Einreise aus einem Risikogebiet das Gesundheitsamt Ihres Aufenthalts- bzw. Wohnortes.

Faszination Hai

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Hai, Tauchen

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