Jersey steckt voller Überraschungen

Die grüne Kanalinsel mit viel Geschichte

Was sehe ich im Anflug auf Jersey? Heute nichts! Dicker grauer Nebel hinter den Kabinenfenstern. Spätherbst ist wohl doch nicht die bevorzugte Reisezeit zu den Kanalinseln. Jetzt verstehe ich auch, warum im Flugzeug der Air Dolomiti außer mir höchstens 30 Menschen sitzen. Kurz vor der Landung taucht Grün hinter den Scheiben auf. Viel Grün. Und Wind. Die Landung fällt ruppig aus.

Schlechtes Wetter und ein Riesen-Dino

Die Lady an der Passkontrolle verspricht besseres Wetter für morgen. Google sagt Sturm voraus. Der lebensgroße Plastik-Chasmosaurus in seinem High Voltage-Käfig (25.000VDC) bleckt in der Flughafenhalle ununterbrochen seine gelben Zähne. Haufenweise Golfgepäck. Unerschütterliche Golfer in kurzen Hemden bei 14 Grad Kälte. Sie verziehen keine Miene, als hätten sie es sich so gewünscht. Am Taxistand lange Schlangen. Der Regen peitscht unangenehm ins Wartehäuschen. Dann endlich. Ich bin an der Reihe. Ein schwarzes London Taxi, nach knapp 10 Minuten bin ich am Ziel.

Mein Hotel zum Wohlfühlen

Der warmherzige Empfang im Atlantic Hotel entschädigt mich für alles. Cosy wie die Engländer sagen. Gemütlich und stylish zugleich. Ein zauberhaftes Small Luxury Hotel. 50 luxuriöse Zimmer, Garden Studios und zwei Suiten. In- und outdoor Pools, Sauna, Mini-Gym und der Golfplatz beginnt gleich hinter dem Haus. Seit 48 Jahren befindet sich The Atlantic in Familienhand, erzählt mir Hausherr Patrick Burke bei einem köstlichen Abendessen mit fangfrischem Fisch in seinem Restaurant „Ocean“. Sternemässig. Der neue Küchenchef Will Holland wurde 2016 als „UK Restaurant Chef“ ausgezeichnet. Um 22 h Jersey-Zeit falle ich ins Bett – eingeschläfert von den gleichmäßig donnernden Wellen des Atlantik. Die Palmen vor meinem Zimmerfenster sind immer noch vom Wind gepeitscht.

Der erste Blick aufs Meer

Der nächste Morgen empfängt mich mit strahlender Sonne bei 14 Grad. Von meinem Balkon aus genieße ich einen atemberaubenden Blick auf die St. Ouen Bay – ein Naturschutzgebiet von außergewöhnlicher natürlicher Schönheit. Mitten im Meer steht der La Rocco Tower, ein Festungsturm aus dem 18. Jahrhundert, den ich später noch ganz aus der Nähe sehen sollte. Kilometerlange weiße Sandstrände „Les Blanches Banques“. Der Wind hat nachgelassen. Und so bleibt es für die nächsten Tage. Mein Abenteuer Jersey kann beginnen. Ich habe mich entschlossen, keinen Mietwagen zu buchen. Diesmal möchte ich möglichst viel zu Fuß und mit öffentlichen Bussen erkunden. Man sieht einfach mehr, als wenn man selbst am Steuer sitzt. Und noch dazu herrscht hier Linksverkehr, wo ich mich immer höllisch konzentrieren muss.

5 Dinge, die man auf Jersey unbedingt sehen sollte

Leuchtturm von Petit Corbiere. Die einfache Strecke vom Hotel wird mit vier Kilometer angegeben. Oberhalb vom Lighthouse erstrecken sich die Highlands. Ein unglaublicher Blick über den Atlantik. Es ist Ebbe, gerade richtig, um zum Turm zu gelangen. Sonst kommt man da nicht hin. Die bizarren Felsenformationen, durch die mein Weg führt, liegen sonst unter Wasser. In den Leuchtturm selbst kommt man nicht. Er ist unten durch ein Gitter verriegelt. Sobald das Signal ertönt, muss ich den Rückweg antreten. Es bedeutet: Das Wasser kommt zurück – und das ziemlich schnell. Habe gerade über Petit Corbiere und einen Leuchtturmwärter gelesen, der ertrunken ist als er jemanden retten wollte, dem das Wasser den Weg abgeschnitten hat. Da beeile ich mich lieber!

Hauptstadt St Helier. Der französische Name täuscht. Very british ist das kleine Städtchen mit einem hübschen Hafen an der St. Aubin‘s Bay und dem Elizabeth Castle, das im 16. Jahrhundert auf einer Gezeiteninsel im Meer erbaut wurde. Bis 1923 wurde sie genutzt und während der deutschen Besetzung 1940–1945 nochmals befestigt. Bei Niedrigwasser zu Fuß zu erreichen oder sonst per Boot. In der Fußgängerzone von St. Helier scheint selbst jetzt in der Nachsaison immer Rushhour zu herrschen. Auf den Straßen und Plätzen ist die Hölle los. Es gibt viele individuelle kleine Shops und natürlich auch die üblichen Ladenketten. Pubs, Cafés und Restaurants laden zum Verweilen ein. Auch Veganes hat hier inzwischen Einzug gehalten, und eine echt Cornish Bakery wie man sie in Cornwall an jeder Strassenecke findet entdecke ich auch. Nicht nur deshalb erinnert mich Jersey sehr an Cornwall.

Gorey ist ein echter Geheimtipp an der Südostküste der Insel. Ein malerisches Fischerstädtchen mit pastellfarbenen Häusern und Restaurants. Darüber thront das mittelalterliche Mont Orgueil Castle. In Gorey dreht sich viel ums Essens. Auf den steilen Feldern gegenüber der Burg werden die Jersey Royal Frühkartoffeln angebaut. Die lokale Fischindustrie besitzt einen hohen Stellenwert. Einen Blick auf die Austernbänken vor der Küste kann man bei Ebbe erhaschen. Während am Pier viele Restaurants mit dem „Fang des Tages“, einladende Cafés und Bistros zu finden sind, liegt die Wohngegend im Ortskern. Hier trefen sich die Einheimischen, und es gibt nette Läden wie Jersey Pearl und Handwerkskunst von Jane James. Unbedingt besuchen sollte man „Eclat“. Zoe verkauft in ihrer geschmackvolle Modeboutique und Fundgrube für schöne Dinge auch die außergewöhnlich tollen Hüte ihrer Mutter. Amorphia heißt das Label. Ich konnte einfach nicht widerstehen und erwarb ein schwarzes Model mit weißer Blütenstickerei. Gleich daneben im Café kann man sich bei selbstgebackenen Kuchen und leckeren Snacks stärken.

Der Zoo von Jersey ist eine Berühmtheit auf der Insel. Er wurde 1958 von dem Briten Gerald Malcom Durrell, dem Bruder des Schriftstellers Laurence Durrell, gegründet. Der autodidaktische Zoologe und Autor gab auf dem acht Hektor großen Gelände Tieren wie Gorilla- und Lemuren-Arten sowie mehreren Reptilien-Gattungen ein Zuhause. Dabei wollte er mehr als nur eine simple „Tierschau“ ins Leben rufen. Bis heute engagiert sich der Zoo für die Vermehrung von Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. In den Gehegen wurden beispielsweise Pflanzenarten aus den Heimatländern der Tiere gepflanzt, um ihren natürlichen Lebensraum nachahmen. Auch das Logo ziert ein längst ausgerotteter Vogel: Dodo, das Wappentier von Mauritius. Der Zoobesuch lohnt sich nicht nur zum Anschauen der Tiere. Die großzügige Anlage mit ziwei Restaurants und Sitzgelegenheiten unter alten Bäumen lädt zum Verweilen und Seele-Baumeln-lassen ein. Ich hatte mein Buch nicht umsonst eingepackt.

Die Jersey War Tunnels lassen Geschichte hautnah erleben. Beklemmend, aber informativ. Das Tunnelsystem wurde im 2. Weltkrieg als Teil der Festung Jersey ab 1941 von Adolf Hitler angelegt. Die Hohlgangsanlage 8, wie sie damals hieß, sollte ein riesiges Netz aus Tunneln unter der Erde werden. Darin wollte die deutsche Besatzungsmacht den Luftangriffen und Bombardements der Alliierten in Vorbereitung für eine Invasion standhalten. Sie war zunächst als Munitionslager gedacht, 1944 wurde sie zugleich unterirdisches Lazarett. Heute kann man in den circa ein Kilometer langen Schächten eine Ausstellung mit verschiedenen Themenkomplexen über die Zeit der deutschen Besatzung auf den Kanalinseln besichtigen. Beispielsweise „Kooperation und Widerstand“, „Bleiben oder die Insel verlassen?“, „Tägliches Leben auf den Inseln“, etc. Die Ausstellung (seit 2001) ist aufwändig und lebensnah gestaltet. Man steht z.B. einem Soldaten in Uniform gegenüber, dessen Kopf aus einem Monitor zu einem spricht. Oder man hört Zeitzeugen zu, wie sie über das Erlebte während der Besatzungszeit erzählen. Mich hat „Captive Island“ jedenfalls sehr beeindruckt.

5 Dinge, die man über Jersey wissen muss

  • Bus-System. Es gibt Sommer- und Winterfahrpläne. Für jedes Ziel, das man auf der Insel erreichen will, muss man zuerst den Bus nach St.Helier nehmen und dort umsteigen. Etwas umständlich und zeitraubend. Dafür sieht man von den roten Doppeldeckern aus viel von der Gegend. Außerhalb der Stadt markieren vierstellige Codes auf der Fahrbahn Haltestelle und Zielrichtung. Die verschiedenen Ticketvarianten erfragen unter www.libertybus.je
  • Jersey besitzt seine eigene Währung. Das Jersey Pound gilt nur hier und auf den anderen vier Kanalinseln. Der Kurs ist an den des britischen Pound Sterling gekoppelt. 1 Jersey-Pfund = 1 britisches Pfund. Überall auf der Insel kann man zwar mit britischem Geld bezahlen, aber nicht umgekehrt. Also nicht zu viel wechseln, sonst muss man Rücktauschen. Ich hatte Glück und habe auf der Fahrt zum Flughafen einen besonders freundlichen Taxifahrer gefunden, der mir für meine letzten Jersey-Pfunde englische Banknoten gab.
  • Info, um nicht doof dazustehen: Jersey ist mit gut 100.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste und größte Kanalinsel. Wie die anderen Inseln im Ärmelkanal ist sie Kronbesitz (englisch crown dependency), also der englischen Königin Elizabeth II. unterstellt, nicht jedoch dem Vereinigten Königreich. Die Kanalinseln sind aus diesem Grund auch nicht Teil der Europäischen Union (EU), werden aber in Handels- und Zollfragen wie ein Teil der EU behandelt. Auch der Brexit ist deshalb kein Thema für die Insulaner. Lucky Jersey!
  • Die Gezeiten sind auf Jersey ungewöhnlich hoch. Mit 12 Meter Unterschied zeigt sich hier der höchste Tidenhub auf der Welt. Sobald sich das Wasser zurückzieht, offenbart sich vielerorts eine bizarre felsige Mondlandschaft. Manche der alten Festungsanlagen wie den La Rocca Tower in der Bucht von St. Ouen kann man nur dann zu Fuß erreichen. Aber Vorsicht! Sobald die Warnsirene ertönt, heißt es, den Rückweg antreten. Tipp: Bei Ebbe eine Nachtwanderung entlang der Küste buchen und das Phänomen der Biolumeszenz (Lebewesen, die selbst Licht erzeugen) entdecken.
  • Souvenirs: Nehmen Sie – ganz wörtlich – eine Kostprobe von der Insel mit nach Hause: von gesalzenem Karamell bis hin zu Seetang Butter aus vor Ort geerntetem ‘Vraic’ (Algen). Versäumen Sie auch nicht die „Jersey Black Butter“ zu probieren, die nach einem traditionellen Rezept zubereitet wird. Geschälte und entkernte Äpfel (ursprünglich Fallobst) werden mit schwarzer Melasse, Lakritze, Apfelwein, braunem Zucker und Gewürzen wie Zimt über einer offenen Gasflamme stundenlang langsam gekocht und regelmäßig umgerührt. Die cremige Konsistenz erinnert an Chutney. Schmeckt vorzüglich auf Toast oder zu Käse.

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