Primavera, die Allgäuer Bio-Pioniere

Ute Leube: Die Frau aus der zweiten Reihe

Sie wollten die Welt verbessern, Ute Leube und ihre Freunde. Damals in den 1980ern gründeten sie ein Unternehmen, das Pflanzenöle produziert im Einklang mit Mensch und Natur. Bis heute hat sich die 67-Jährige den unerschütterlichen Glauben bewahrt, dass wirtschaftlicher Erfolg eng verknüpft sein kann mit nachhaltigem, fairem und respektvollem Handeln auf jeder Ebene. Der Aufstieg von. Primavera scheint ihr recht zu geben. Doch nun stellt sich die Frage nach der Unternehmensnachfolge. Doch wie stellt man sicher, dass die gelebte Vision auch von potenziellen Nachfolgern gewahrt wird?

Beste Bio-Aromaöle aus aller Welt

Ute Leube kommt gerade zurück aus Bhutan, dem Mini-Königreich, das in die maximal hohen Berge des Himalayas eingebettet ist und in dem das Bruttoinlandsglück seiner Bewohner wichtiger ist das Bruttosozialprodukt. Und das dafür vier Säulen als Staatsräson manifestiert hat: die Förderung kultureller Traditionen, der Schutz von Umwelt und Kulturlandschaft, die Förderung sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung sowie die Schaffung von Verwaltungsstrukturen, die diesem Ziel dienen. Nur wenn alle vier Säulen gleich groß sind, lässt sich ein stabiles Haus darauf bauen, sind die Bhutaner überzeugt. Ein Gedanke, der Ute Leube gefällt. Einer, in dem die Mitgründerin des Aromaöl-Produzenten Primavera sich und ihre Unternehmensphilosophie wiederfindet. Um diese Entwicklung zu unterstützen, beziehen sie und ihr Geschäftspartner Kurt L. Nübling ihr bio-zertifiziertes Lemongrass-Öl bei dem örtlichen Projekt Bio Bhutan. Weil es das leistet, was die Allgäuer Bio-Pioniere sich bei ihrer Gründung vor über 30 Jahren vorgenommen hatten: die Erzeugung bester Bio-Aromaöle, gewonnen aus Wildsammlungen oder nachhaltigem Anbau bei fairer Bezahlung, damit die Anbaupartner ihren Weg in die Unabhängigkeit finden können.

Norddeutsche Seele auf Erkundungstour

Ute Leube ist größer als die meisten Frauen ihrer Generation. Das silberne Haar trägt sie kurz geschnitten, unter den weit fallenden Kleidern zeichnet sich die weiche Silhouette ihres Körpers ab. Eine typisch Norddeutsche würde man denken, wäre da nicht ihre leise Stimme und der tastende, beinahe tänzerische Gang, die scheinbar so gar nicht zu passen wollen. Aufgewachsen ist sie bei Bremen. Sie ist ein stilles Kind, „unsicher, schüchtern, nicht wissend, wo mein Platz ist auf dieser Welt“. Nach dem Abi und ihrer Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin zieht sie nach Göttingen. Sie studiert Landwirtschaft und geht mit ihrem damaligen Freund für ein Jahr in die USA. Die indianische Kultur zu ganzheitlichem Heilen inspiriert sie derart, dass sie ihr Interesse an westlicher Medizin ganz verliert. Doch egal wo sie ist, am wohlsten fühlt sie sich in der zweiten Reihe oder noch weiter hinten, da wo man unsichtbar bleibt. In München zieht sie in eine WG, zusammen mit ihren Mitbewohnern betreibt sie einen Naturkostladen. Ihr Sohn wird geboren, sie trägt ihn in einem Tuch auf dem Rücken während sie Kisten schleppt und Kartoffeln eintütet. Dennoch: Es ist ein gutes Leben, gespeist aus ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln. „Eines Tage brachte unser Gemüsehändler ein kleines Fläschchen mit ätherischem Rosmarin-Öl mit, das angeblich wahre gesundheitliche Wunder bewirken sollte. Mir als Hardcore-Naturköstlerin kam es seltsam vor, Pflanzendüfte zu destillieren und sie in einen Flakon zu sperren. Aber meine Neugier siegte“, erinnert sie sich.

Vom Aufstieg …

Ute Leube will mehr darüber erfahren. Sie belegt einen aromatherapeutischen Kurs bei der als Expertin geltenden Susanne Fischer, spätere Fischer-Rizzi, in einem Seminarhaus, das Kurt L. Nübling federführend mitgegründet hatte. „Es waren unvergleichliche Dufterlebnisse, die ich dort hatte. Ich verstand, dass meine Nase nicht nur zum Ein- und Ausatmen da ist und welch heilsame und pflegende Wirkung Pflanzen auf Seele und Haut haben.“ Daheim, am Küchentisch, beginnen sie – Leube, Nübling und Fischer – zu spinnen, wie man die Euphorie ihrer Entdeckungen mit anderen Menschen teilen könne. „Damals gab es nur drei deutschsprachige Unternehmen, die aromatherapeutische Öle herstellten. Aber wir wollten eigene Öle, wollten wissen, wie rein sind sie und wie sie hergestellt werden. Wir gingen dorthin, wo die Pflanzen sich ihren ursprünglichen Standort gesucht haben, weil wir davon ausgehen, dass sie dort beste Bedingungen finden und besonders kraftvoll sind. Gleichzeitig wollten wir mit unseren Gewinnen beispielsweise tibetische Waisenkinder unterstützen. Wir dachten damals naiv und wussten nicht, dass die Erlöse fortlaufend in eine Firma investiert werden müssen.“ Ab jetzt kennt die Kreativität der drei keine Grenzen mehr. Während Nübling mit Alabaster-Lampen experimentiert, koordiniert Ute Leube die Kooperation mit Anbaupartnern. Die in der Szene bekannte Susanne Fischer-Rizzi ist das Gesicht nach außen.

… und von Abschieden

Im Frühjahr 1986 wird Primavera offiziell gegründet. Das junge Unternehmen präsentiert sich auf der Edelstein-Messe in Idar-Oberstein. „Das war ein kolossaler Erfolg! Mit einem Schlag hatten wir 250 Therapeuten-Adressen“, sagt Ute Leube. Darauf ließ sich aufbauen. Während ihre Kinder schlafen, packt sie Päckchen, die Kartons kommen gebraucht aus dem Supermarkt. Das Start-up geht durch die Decke. Eine Weile lang funktioniert das Triumvirat prima. Doch in dem Haus, an dem sie gemeinsam bauen, verschiebt sich die Statik, es knirscht gewaltig, Fischer-Rizzi steigt aus. Übrig bleiben Nübling und Leube. Sie kümmert sich fortan weiter um die Prozesssteuerung, den Einkauf, den Kontakt zu den Anbaupartner und die Produktentwicklung und findet sich, öfter als ihr lieb ist, hinter dem Schreibtisch wieder. Kurt L. Nübling, ein charismatischer Visionär und leidenschaftlicher Entdecker, widmet sich dem Marketing. Er in der ersten, sie in der zweiten Reihe – die perfekte Rollenverteilung, um den Markt mit hochwertigen Aromaöl-Produkten und Pflanzenkosmetik zu erobern.

Geld? Das Mittel zum Zweck

„Wir haben Primavera gegründet aus der Begeisterung für unsere Produkte und für die Art und Weise, wie sie entstehen. Sie haben einen Mehrwert für Bauern, Verbraucher und die Umwelt. Geht es um Strategien für die Zukunft, steht für uns im Fokus wie wir noch nachhaltiger wirtschaften können. Das Geld interessiert uns erst dann, wenn es notwendig wird“, sagt Ute Leube. Und es klingt überzeugend. Aber so viel Idealismus muss man sich erst mal leisten können. Schließlich hatte die kompromisslose Weltverbesserei das Unternehmen schon einmal in eine heikle Schieflage bugsiert. Mitte der Nuller Jahre befindet sich Primavera auf Expansionskurs und investiert kräftig in die Eroberung des US-amerikanischen Marktes. Doch die Einführung des Ratings führte zur Vollbremsung, die Banken lassen sie hängen. Leube schwitzt Tage und schlaflose Nächte über Finanzierungsplänen und hält den Atem an. Doch dann fand sich ein Investor und Primavera blühte auf.

Das Loslassen fällt schwer

Den Ruf der „durchgeknallten Öko-Spinner“ haben die Allgäuer Bio-Pioniere weit hinter sich gelassen. Über 30 Jahre später gehört Primavera mit 200 Mitarbeitern zu den europaweit führenden Aromaöl-Produzenten. Das Unternehmen ist gut strukturiert – und ist seinem Grundsatz treu geblieben. Ute Leube, die 2012 zur Unternehmerin des Jahres gekürt wurde und damit in die erste Reihe tanzte, stieg ein Jahr später aus dem operativen Geschäft aus. Seither im Beirat sitzt, denkt darüber nach, wie sie dem Entdecken und Forschen und Begegnungen mehr Raum geben kann. Bisher schlug der Versuch, komplett aus dem Geschäft auszusteigen, fehl. Denn wem vertraut man ein Unternehmen an, das untrennbar verbunden ist, mit ureigenen Visionen? „Wir waren so sehr mit dem beschäftigt, was wir tun, dass wir nicht rechtzeitig daran dachten, die Unternehmensnachfolge zu regeln“, meint sie selbstkritisch.

Neues Führungskonzept für Primavera

Doch die Ansprüche an potenzielle Nachfolger ist hoch, mancher Versuch bereits gescheitert: „Wir konnten uns nicht vorstellen, dass jemand anders denkt und nicht versteht, was für uns selbstverständlich ist.“ Aber das, was sie jetzt beginnen, könnte eine Lösung sein: eine integrale Führungskultur nach dem Spiral Dynamics-Prinzip von Ken Wilber. „Dann würden in einem sich selbst regulierende Führungskreis fünf Mitarbeiter aus unseren eigenen Reihen sitzen, die unterschiedliche Qualitäten mitbringen: Organisatoren, Visionäre, Integratoren und Akteure nach außen. Wir arbeiten derzeit mit Beratern von außen daran. Es ist ein anstrengender Prozess für alle Beteiligten, denn er verlangt schonungslose Offenheit und Darlegung der persönlichen Ziele. Aber unser Gründungsgedanke lebt bis heute. Wir hätten bei vielen Gelegenheiten zerbröselt werden können. Aber ich glaube, unser Unternehmen ist geschützt, solange wir unserer Idee treu bleiben.“

Fotos: Claudia Reshöft, Pascaline Photo

Aromaöle, Bio, Naturkosmetik, Pflanzen, Primavera

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