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Ein Trip an den Gardasee – Still ruht der See…

Moment mal, allen Ernstes der Gardasee, der italienische Liebling der Deutschen mit der Lizenz zum Trubel ? Alles eine Saison-Frage, wie C&C Autorin Cornelia Menner festgestellt hat.

Der Gardasee war schon immer das (schnell erreichbare) Sehnsuchtsziel der Deutschen: Einmal über den Brenner und dann nach knapp zwei Stunden Autofahrt am Gardasee italienisches Flair genießen, in Gelato, Pasta und Pizza schwelgen. Es ist wohl diese besondere Mischung aus Stränden, hohen Bergen, steilen Küstenstraßen und grüner Landschaft, die den Lago, wie die Italiener den größten See ihres Landes kurz nennen, so einzigartig macht. Und irgendwie ist für jeden etwas dabei, egal, ob er schwimmen, surfen, biken, wandern, paragliden, klettern – oder einfach nur genießen will.

Gar nicht so einfach, wenn man von „Millionen“ Gleichgesinnten umgeben ist. In der Hochsaison sind die Schlangen vor den Eisdielen, Fährschiffen und Sehenswürdigkeiten legendär – und die berühmte Straße Gardesana, die alle Küstenorte verbindet, ist nur im Schritttempo zu bewältigen. Das aus Venedig schon länger bekannte Overtourism-Syndrom ist spätestens nach Corona auch am Gardasee angekommen, über 24 Millionen Übernachtungen meldete das Tourismus-Board 2024. Mit Lizenz nach oben.

Abseits der Touristenströme

Gut zu wissen: Die Touristenströme beschränken sich weitgehend auf den Sommer und die Ferien. Als ich den Gardasee im November und im Jahr darauf im März und April besuche, zeigt sich ein völlig anderes Bild: Auf dem See ist wenig los, die Souvenir-Stände mit viel Billigkram sind noch zu. Nur wenige Restaurants und Hotels haben geöffnet, Kellner und Hotelangestellte sind entspannt. Ein paar Brocken Landessprache sind jetzt nicht verkehrt: Das rein deutschsprechende Personal wird wohl erst zur Sommersaison rekrutiert. Um so italienischer wirkt das Ganze, zumal Sizilianer, Sarden und Römer den größten See ihres Landes ebenfalls längst als Urlaubsziel entdeckt haben.

Klar, Wassersport geht noch nicht oder nicht mehr – und zu den hartgesottenen Eisbaderinnen gehöre ich definitiv nicht. Wenn sogar der Fährbetrieb Winterpause hat, ab November, haben die Wasservögel Hochsaison: Der rotbraunen Kolbenente mit ihrem übergroßen Kopf könnte ich ewig zuschauen, wenn sie ruhig über den See gleitet, um pfeilschnell auf der Suche nach Algen und Wasserinsekten abzutauchen. Die Stockenten in Limone haben die wenigen Touristen im Blick, watscheln am Hafen im der Bar al lago neugierig aus dem See. Könnte ja sein, dass einer der Besucher beim Aperitivo Chips oder Nüsse fallen lässt. Dann heißt es zuschnappen und die Möwen von hoch oben neidisch zuschauen lassen.

Mein Lieblingsort am Gardasee

Limone gehört zu meinen Lieblingsorten am Westufer. Ein terrassenartig gebautes Dorf, eingequetscht zwischen Felswänden und Seeufer, dessen Name Programm ist. Tatsächlich duftet es in den blumenübersäten Gassen immer wieder nach Zitronen. Die ersten Souvenir-Shops bieten Zitronenseifen, Limonen-Tagliatelle und natürlich den berühmten Likör Limoncello, der sich auch im Spritz gut macht, an. Noch mehr von den Schätzen des Dorfes finden sich im Limonaia del Castel, das Zitronengewächshaus aus dem 18. Jahrhundert.

Für den bescheidenen Eintritt von 2 Euro pro Person läuft man auf mehreren Ebenen durch einen riesigen Garten. Zitronen, süßen und bitteren Orangen, Chinotti, Grapefruits, Mandarinen und Kumquats, die an weißen Säulen und Mauern entlang Richtung Sonne blicken, kann man quasi beim Wachsen zuschauen.

A propos Sonne: Die ist natürlich in der Vor- und Nachsaison kein zuverlässiger Partner. Gerade hat es in Limone noch getröpfelt, in Malcesine am anderen Ufer werden wir von blauem Himmel und wärmenden Sonnenstrahlen empfangen. Dauernde Wetterwechsel sind an der Tagesordnung. In den Bars und Ristoranti ist man darauf eingestellt, draußen sitzen geht oft dank Überdachung, Decken und Heizpilzen, falls die Temperatur unter 18 Grad rutscht. So können wir im Italia Ristorante da Nikolas fangfrische Forellen und Felchen mit einem Glas Lugano und dem Blick auf den See genießen.

Ausflugsziele mit Aussicht

Die Fahrt mit der Seilbahn auf den Monte Baldo müssen wir streichen, sie fährt erst in der Saison. Aber die Scaligerburg ist geöffnet, der Name wird uns noch oft am Gardasee begegnen. Die Scaligeri-Familie war eine mächtige Dynastie, die im 13. und 14. Jahrhundert die Stadt Verona regierte, die nur einen Katzensprung vom Gardasee entfernt liegt. Als Feudalherren hatten sie großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region und haben am Lago mächtige Burgen errichtet, z.B. in Sirmione oder Lazise.

Am besten gefällt sie mir in Torri del Benaco am südlichen Westufer. Mitten im historischen Zentrum mit Aussicht auf Burg und See sitzen wir unter Colonaden im Café des ehrwürdigen Hotels Albergo Gardesana. Bei einem Cappuccino dem ruhigen Schaukeln der Boote im mittelalterlichen Hafen zuschauen. Dabei den raschen Farbwechsel des Wassers bewundern, je nach Wetterkapriole von Zartbleu über Türkis bis Dunkelblau: Mehr Dolce Far Niente geht fast nicht.

Öl- und Weinverkostung

Zum Wochenmarkt ist hier mehr los. Die einheimischen Besucher interessieren sich nicht so sehr für Schmuck und Sonnenhüte, stürzen sich lieber auf frische Trüffel, Obst, Gemüse und Olivenöl. Mit Letzterem decken wir uns im Olivenöl-Museum in Cisano bei Bardolino ein. Erst lassen wir uns die mühsame Prozedur der Ölherstellung erklären, erfahren, wie die frisch geernteten Oliven gewaschen, gemahlen und von Rückständen befreit werden. Warum sich manche Öle mit der Kennzeichnung „extra Vergine“ besser zur kalten Verwendung für Salate, Brote, Carpaccio und Tomaten eignen und andere erst in Kochtopf und Pfanne so richtig aufblühen. Die Verkostung ist lecker, der Kauf eine Herausforderung: Lieber eine milde, fruchtige oder doch scharfe Sorte? Immerhin, gesund sind sie alle.

Das gilt sicher auch (in Maßen) für die edlen Weine auf dem Gut Zeni bei Bardolino. Auch hier zeigt ein Museum anschaulich die Entstehung der kostbaren Tropfen. Der Anbau der Reben, die Lese, von der Verarbeitung und Abfüllung, der Ausbau des in Fässern und schließlich der Transport. Und wieder Verkostung und Optionen: Leicht, vollmundig, herb und überhaupt: Rot, weiß oder rosé? Wir werden fündig….

Ein Eldorado zum Wandern

Nach so viel Genuss ist dringend Bewegung angesagt. Fürs Wandern ist der Gardasee ein Eldorado. Der Palmsonntag bietet sich für einen Pilgerweg zur Wallfahrtskirche Madonna della Corona an. Sie schmiegt sich spektakulär an eine steile Felswand des Monte Baldo. Er ist mit über 2000 Metern das höchste Bergmassiv am Gardasee. Die Kirche schafft es auf beachtliche 770 Meter und ist der höchstgelegene Wallfahrtsort Italiens. Im Mittelalter zunächst eine alte Eremitage, wurde bereits im 15. Jahrhundert die erste Kirche in den Fels hineingebaut.

Der Weg führt über Stufen, Trittsteine, Erde und in den Fels gehauene Treppen, ist ziemlich steil und bietet ein wahres Eldorado an Ausblicken auf karstige Felsen und blumenübersäte Wiesen. Da die Sonne gerade mal wieder ein längeres Gastspiel gibt, erreichen wir die Kirche trockenen Fußes, gerade, als der Gottesdienst beginnt und die Choräle per Lautsprecher in die Bergwelt getragen werden. Ganz schön ergreifend. So empfand es übrigens auch Altmeister Goethe, der auf seiner italienischen Reise 1786 auch den Gardasee besuchte. Nicht nur Madonna della Corona, der gesamte Gardasee hatte es ihm angetan. Naja, vermutlich war er auch nicht in der Hauptsaison unterwegs.

photos: Cornelia Menner (8), Fattoria La Vialla (1)

Gardasee, Off season

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