Warum braunes Fett gut und weißes Fett böse ist

Kürzlich ist ein merkwürdiger PR-Text zu einer Körpercreme in mein Mail-Postfach geflattert. Darin wurde nämlich behauptet, dass das neue Produkt für Bauch und Hüften aus weißen Fettzellen braune machen kann. Wie soll dieser metabolischen Umbau allein durch Cremen vollzogen werden, frage ich mich, wenn selbst seriöse Wissenschaftler auf diesem Gebiet noch weitgehend im Trüben fischen?

Die Natur gibt vor, dass der menschliche Körper mit zwei unterschiedliche Arten von Fettgewebe ausgestattet ist. Braun und weiß. Auf diese Wiese ist es ihm möglich, auf Nahrungsmangel sowie auf Kälte zu reagieren. Das weiße Fett befindet sich hauptsächlich unter der Haut, am Bauch, am Po, weshalb man es wegen seiner Lage direkt unter der Bauchhaut auch als subkutan bezeichnet. Es ist das Fett, das wir ertasten, wenn wir uns kneifen oder Sit-ups machen. Seine Aufgabe ist es, den Körper gegen Kälte zu isolieren und dem Organismus Energie in Form von Adenosintriphosphat zur Verfügung stellen. Dieses ATP wird bei hohem Energiebedarf aus Lipiden gewonnen, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Essen wir zu viel Fett, wird es eingelagert. Zusätzlich fungiert weißes Fett als Trenngewebe zwischen den Organen in der Bauchhöhle. Mediziner bezeichnen es dann als viszerales Fett. Das sind genau die Fettpolster, die man nicht absaugen kann.

Braunes Fett schafft Wärme

Lange Zeit hat man angenommen, dass der Körper nur im Säuglingsalter braunes Fett besitzt, das extrem gut durchblutet ist und daher auch die dunklere Färbung aufweist. Erwachsene zittern, um sich warm zu halten. Babys besitzen dafür noch zu wenig Muskelmasse. Sie verschaffen sich Wärme durch die braunen Fettzellen am Rumpf. Im Gegensatz zu den weißen Fettzellen arbeiten diese nicht als Energie-Speicher, sondern verbrennen sie in den zelleigenen „Kraftwerken“ (Mitochondrien), um sie dann direkt als Wärme abzugeben. Diese einzigartige Funktion hält bei Neugeborenen die Körpertemperatur aufrecht. Man spricht auch von zitterfreier Wärmebildung bzw. adaptiver Thermogenese. Im Körper eines Erwachsenen findet man nur noch wenig von diesem plurivaskuolären Fettgewebes – unter dem Schlüsselbein, am Hals, im Nacken und entlang der Wirbelsäule. Das weiß man auch erst seit wenigen Jahren. 2009 kamen US-Forscher darauf, als sie per Computertomografie nach Krebszellen suchten.

Weiß wird zu Braun

Wenn braunes Fett den Energieverbrauch des Körpers ohne Muskeltätigkeit steigern kann, würde es dann nicht auch einen neuen Ansatzpunkt zur Behandlung von Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2 bieten? So die Überlegungen der Wissenschaft. Aber wie kann man weißes Fett, von dem die meisten von uns genug zur Verfügung haben, in braunes umwandeln? Mit einer Körpercreme sicher nicht, was immer Ihnen die Werbung auch suggerieren will. Wäre es so einfach möglich, würde es sich nicht um ein Kosmetikum handeln, sondern um ein Medizinprodukt. Und damit wäre es verschreibungspflichtig, weil es einen Eingriff in den Organismus bedeutet, und der Erfinder mit Sicherheit Millionär.

Der Weg von Weiß nach Braun ist allerdings alles andere als einfach, da unser Fettgewebe als größtes endokrines Organ des Körpers einem sehr komplexen System unterliegt. Lange Zeit dachte man, dass das weiße Fettgewebe hormonell gesteuert ist. Falsch, wie sich herausgestellt hat. Die Produktion geht von Zellen des Fettgewebes, den Adipozyten, aus. Hinzu kommen Zytokine wie Adiponektin, Leptin, Resistin, Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) und Interleukine, die nach ihrem Sekretionsort auch als Adipokine bezeichnet werden. An der Sekretion von Fettgewebe sind ebenso andere ortsansässige Zellen wie Fibroblasten, Monozyten und Makrophagen beteiligt.

Eine Rolle spielt auch das Hormon Leptin (griech. leptos = dünn), das von den Adipozyten freigesetzt wird. Leptin hängt sich an entsprechende Rezeptoren im Hypothalamus und reduziert das Hungergefühl. Bei vielen fettleibigen Menschen funktioniert das nicht. Sie sind Leptin-resistent. Das bedeutet, dass sie trotz hoher Leptinspiegel im Blut keine Hungerbremse haben. Und noch etwas gehört dazu, damit das braune Fettgewebe seine volle Brennwirkung entfalten kann: das im Gehirn produzierte Hormon Orexin. Es ist nämlich nicht so, dass nach dem Babyalter das braune Fett aus dem Körper einfach verschwindet. Vielmehr haben Erwachsene mehr sogenanntes beiges Fettgewebe im Körper, eine Unterklasse von braunem Fett, das jedoch über die gleichen guten Eigenschaften verfügt.

Orexin heizt den Fettzellen ein

Um dem Orexin-Mechanismus auf die Spur zu kommen, mussten wie so oft im Dienste der Wissenschaft Labormäuse herhalten. Ein Forscherteam um Devanjan Sikder vom Sanford-Burnham Medical Research Center in Orlando fand heraus, dass bei Mäusen ein Mangel des im Gehirn produzierten Hormons die Brennkraft der braunen Fettzellen hemmt. Die Mäuse, die genetisch auf einen Orexin-Mangel programmiert waren, setzten mehr Fett an als ihre „unbehandelten“ Artgenossen – und das obwohl sie weniger Futter bekamen.
Bei Orexin-Gaben trat der umgekehrte Effekt ein. Die Mäuse wurden schlanker. Überflüssige Kalorien aus fettreicher Nahrung wurden einfach verheizt. „Unsere Untersuchung liefert eine mögliche Erklärung dafür, warum manche Menschen übergewichtig sind, obwohl sie gar nicht zu viel essen”, so Sikder. Möglicherweise trägt bei den Betroffenen ein Orexin-Mangel dazu bei, dass das braune Fett sich auf die faule Haut legt und den Energieverbrauch gering hält. Hier könnte eine Art Abnehmpille mit Orexin helfen, um das braune Fettgewebe zu Höchstleistungen zu aktivieren. Der Traum aller Couchpotatoes. Doch noch ist keine probate Lösung in Sicht. Denn alles, was in den Körper eingebracht wird und eine Veränderung herbeiruft, bringt auch meist unerwünschte Nebenwirkungen mit sich.

Sich schlank frieren

In einer schwedischen Studie wurde noch ein weiterer Aspekt untersucht. Sobald das braune Fett, das von Geburt an im Körper vorhanden ist, seine volle Brennkapazität erreicht hat, wandelt der Körper Teile die weißen „Speckröllchen“-Feeder in schlankmachende Kalorien-Burner um. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass schon allein 57 Gramm mehr an braunem Fett ausreichen würden, um den Kalorienverbrauch um 20 Prozent zu erhöhen.
Um die Bildung von braunem Fett anzukurbeln, hilft bereits Sport. Körperliche Belastung stimuliert im Hypothalamus die Bildung von sogenannten Brain-derived Neurotrophic Factor zur Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Unter diesen Bedingungen werden aus weißen braune Fettzellen. Dieser Browning-Effekt tritt auch bei hohen Kältereizen ein, denen man den Körper ausgesetzt. Er schüttet dabei viel Adrenalin aus, wodurch sich die Menge an braunem Fettgewebe erhöht. Damit versucht er die Körpertemperatur auf konstant 37° zu halten.
Und das erfordert bei eisiger Kälte von -40° Aussentemperatur am Nordpol logischerweise deutlich mehr Energie als im vergleichsweise milden Europa-Winter. Bei uns heißt es ab in die Kältekammer, will man solch frostige Temperaturen erreichen. Dass Kälte mehr braunes Fett produziert, konnte man ebenfalls an Mäusen nachweisen, die über einen Zeitraum von 10 Tagen einer konstanten Temperatur von 6°C ausgesetzt wurden. Doch welcher Mensch will schon freiwillig dauerhaft frieren, um ein paar Pfunde loszuwerden.

Braune Fettzellen einfach transplantieren?

Praktisch wäre es natürlich, wenn man auf möglichst einfache Art mehr braunes Fettgewebe in den Körper implantieren könnte. Auf diese Idee kamen die Wissenschaftler der Columbia University in New York. In ihrem Start-up „Ardent Cell Technologies“ entwickelten sie eine entsprechende Methode mit Hilfe der ästhetischen Chirurgie: Mittels einer Fett-Transplantationstechnik wurde das weiße Fett von einem Körperteil entnommen, umgewandelt und an anderer Stelle als braunes Fett injiziert. Ein Transplantat sozusagen.
Brian Gillette, Forscher am NYU Winthrop Hospital und Gründer von „Ardent Cell Technologies“ behandelte dazu das abgesaugte weiße Fett einige Wochen lang in einem Bio-Reaktor mit Chemikalien, bevor das umgewandelte Gewebe seinen Weg zurück in den Körper fand. Laborversuche zeigten, dass diese Methode bei menschlichen Zellen durchaus funktioniert. Getestet wurde auch an Mäusen, die zuvor überaus fettreich gefüttert wurden. Das braune Fettgewebe, dass ihnen nach der Umwandlung injiziert wurde, blieb zwei Monate lang, ohne sich wieder in weißes Fett umzuwandeln. Allerdings verloren die Mäuse trotz der zusätzlichen braunen Fettzellen nicht mehr Gewicht als die Kontrollgruppe.

Ein Pflaster zum Abspecken

Ein weiterer Plan, ist es, ein Schlankmacher-Pflaster zu entwickeln. Forscher am Columbia University Irving Medical Center arbeiten bereits daran. Das System soll so funktionieren: Der Wirkstoff gelangt über winzige Nanopartikel, die in das circa 1 Quadratzentimeter große Pflaster integriert sind, gezielt in das weiße Fettgewebe. Jedes Partikel hat einen Durchmesser von nur 250 Nanometern (Vergleich: ein menschliches Haar misst ca. 100.000 Nanometer). Winzige Nadeln auf der Klebefläche des Pflasters transportieren das Medikament vollkommen schmerzfrei ins Fettgewebe. Aber auch diese Methode ist bisher nur an übergewichtigen Mäusen getestet. Alle verloren auf der behandelten Körperseite 20 Prozent ihres weißen Fettgewebes. Nebenwirkungen traten bei den Tests im Labor nicht auf. Mit Hochdruck arbeitet das Team an einer möglichst effektiven Wirkstoff-Kombination, doch Tests am Menschen sind noch nicht in Aussicht. Deshalb…

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