Trend: Hautpflege mit Bakterienkulturen

Kosmetikfirmen setzen vermehrt auf Pflegeprodukte mit Bakterienkulturen. Die sogenannten Probiotika sollen gerade Problemhaut wieder ins Gleichgewicht bringen, indem sie die „guten“ und „bösen“ Bakterien ausbalancieren

Man kennt Probiotika aus dem Lebensmittelladen. Vor allem in Joghurts und fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut finden sich diese lebenden Mikroorganismen. Ihre Hauptaufgabe: Sie sorgen für eine gesunde Darmflora. Und die sollen wir uns jetzt ins Gesicht schmieren! Hört sich erstmal ein bißchen eklig an. Aber natürlich tummeln sich im Cremetopf keine lebenden Organismen. „Sie werden zuvor im Labor aufbereitet und in gelöster Form in die Textur eingearbeitet“, erklärt Britta Klebon aus der L’Oreal-Forschungsabteilung.

Das Mikrobiom im Fokus der Wissenschaft

Das Wort probiotisch kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „für das Leben“. Und das trifft es das ziemlich genau, denn Probiotika in ihrer Urform sind lebende Mikroorganismen. Von geschätzt 40 Billionen Bakterien, die vorwiegend auf der Dickdarmschleimhaut sitzen, kennen wir circa 400 verschiedene Probiotika. Am bekanntesten sind die Milchsäure produzierenden Bakterien, die als Lakto- und Bifidobakterien bezeichnet werden, und den Darm gesund erhalten. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Bereits 1908 erhielt der russische Bakteriologe Ilja Metschnikow den Nobelpreis für Physiologie und Medizin, weil er herausgefunden hatte, dass die Milchsäurebakterien in Joghurt unser Immunsystem unterstützen und Krankheitserreger im menschlichen Darm bekämpfen können. Neuer ist der Begriff „Mikrobiom“, dessen Erforschung nun nach der Entschlüsselung des Genoms in den wissenschaftlichen Fokus gerückt ist. Er bezeichnet die Gesamtheit aller mikrobiellen Mitbewohner inklusive ihrer Lebensräume und ökologischen Funktionen. Geprägt hat ihn der 2008 verstorbene US-Molekularbiologe Joshua Lederberg. Das Mikrobiom zu entschlüsseln ist eine Mammut-Aufgabe für die Wissenschaft. Der menschliche Körper dient den vielfältigen Mikroben (Bakterien, Viren und Pilze) mit einem Gesamtgewicht von bis zu 1,5 kg als komplexes Ökosystem. Primär gehören dazu die Bakterien des Darms, aber auch die von Haut, Urogenitaltrakt, Mund, Rachen und Nase. „Was die Evolution der Mikroben so faszinierend und zugleich so besorgniserregend macht, ist ihre Kombination von riesigen Populationen mit intensiven Schwankungen innerhalb dieser Populationen“, schrieb Lederberg im Jahr 2000. Wie ein gesundes Mikrobiom auszusehen hat, ist bis dato noch unklar. Vor allem, da jeder Mensch sein eigenes, individuell zusammengesetztes Mikrobiom besitzt, das von Genetik, Umwelt und Lebensstil beeinflusst wird. Eine Art genetischer Fingerabdruck. Die Darmbakterien lehren auch unser Immunsystem, zwischen „guten“ und „bösen“ Keimen zu unterscheiden. Normalerweise ist auf der dicht besiedelten Darmwand kein Platz für krankmachende Erreger wie Staphylokokken und Streptokokken oder E.Coli-Bakterien. Werden Eindringlinge erkannt, kommunizieren die Bakterien mit dem Immunsystem mittels Signal-Botenstoffen. Verändert sich das Mikrobiom durch Ernährung oder Medikamente wie Antibiotika, hat dies häufig ein Ungleichgewicht zur Folge mit verschiedenen Krankheitsbildern bis zur Veränderung der Haut. Ist die Darmflora nicht in Ordnung, kann man also auch keine strahlende Haut erwarten. Mit anderen Worten: Du bist, was du isst.

Die Bakterien der Haut

Auch unsere Haut wird von etlichen Bakterienarten bevölkert. Sie bilden die Mikroflora, also den natürlichen Schutzfilm. Pro Quadratzentimeter Haut lassen sich über eine Million von ihnen nachweisen. Auch hier gibt es die „Guten“ und die „Bösen“. Zu letzteren gehören Propionibacterium acnes, die Akne verursachen. Inzwischen weiß man, dass sich mit dem Alterungsprozess das Gleichgewicht ebenfalls verschiebt. Warum, das ist noch unklar. Die New Yorker Dermatologin Dr. Whitney Bowe, Autorin von „The Beauty of Dirty Skin“, behauptet, dass wir möglicherweise selbst schuld sind, wenn die zerbrechliche Infrastruktur auf der Haut aus dem Gleichgewicht gerät. „Durch unsere Besessenheit von antibakteriellen Reinigungsmitteln werden die gesunden Bakterien auf unserer Haut zerstört“, erklärt sie. „Ist das Mikrobiom Ihrer Haut erst einmal gestört, führt dies zu Unreinheiten, Rosazea, Psoriasis, Ekzemen und sogar zu einer erhöhten Sensibilität der Haut.“

Pflege-Konzepte mit Probiotika

Mittlerweile ist eine ganze Reihe probiotischer Pflegeprodukte auf dem Markt. Sie enthalten vorwiegend extrahierte einzelne Stränge aus einem Bakterium, meist Milchsäure, oder Stoffwechselprodukte von Bakterien. Die New Yorker Firma Orveda setzt Präbiotics aus fermentierten Kartoffeln und Kombucha ein. Für Gladskin hat das niederländische Biotechnologie-Unternehmen Micreos ein Enzym entwickelt, das ausschließlich die Bakterienart Staphylococcus aureus abtötet. Diese sind verantwortlich für Hautreizungen und Entzündungen, vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Akne, Rosazea und Neurodermitis. Um Staphylokokken eindeutig zu diagnostizieren, ist ein Abstrich der Haut notwendig. Den Beweis, dass lebende Bakterien einen größeren Einfluss auf die Hautgesundheit haben als Extrakte, konnte die Forschung bislang nicht erbringen. Häufig wird aber eine Kombination verwendet aus dem probiotischen Aktivstoff und einer präbiotischen Substanz. Präbiotika wie Inulin und Oligofructose bzw. Lactose aus der Milch sind vor allem dazu da, das Wachstum der Probiotika zu unterstützen. Also eine Art Doping für die Bakterien. Aber es gibt auch andere Konzepte für ein gesundes Bakteriengleichgewicht. „Neu ist der Ansatz, Moleküle im Rohstoffmarkt zu etablieren, die die Kommunikation mikrobieller Signale hemmen“, erläuterte die Hamburger Hautexpertin Dr. Sabine Gütt auf dem letzten Workshop des deutschen Kosmetikproduzenten Reviderm. „Ein erster Wirkstoff in diese Richtung, der u. a. in Bezug auf Akne erfolgversprechend scheint, ist ein biotechnologisch hergestellter Zellkulturextrakt aus dem Maulbeerstrauch (Noni), der Studien zufolge, die Signale der Mikrobiom-Kommunikation blockiert.“

Darmgesund essen

Auch mit der Ernährung kann man viel erreichen, damit sich die guten Bakterien im Darm wohlfühlen und damit auch die Haut. Die Bakterien wollen richtig ernährt werden. Sehr bildlich drückt es Prof. Eric Martens aus, Immunologie und Mikrobiologie an der University of Michigan „Wenn du sie nicht fütterst, fressen sie dich.“ Am liebsten mögen die Darmbewohner Ballaststoffe, die hauptsächlich in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommen. Also eher eine mediterrane, vorwiegend vegetarische Ernährung. Dazu gehören: Obst (Äpfel, Birnen, Beeren) und Gemüse (Spinat, Brokkoli, Möhren). Prof. Andreas Schwiertz, Leiter des Instituts für Mikroökologie in Herborn, empfiehlt Bananen: „Sie enthalten viel Inulin. Dieser Ballaststoff wirkt sich besonders günstig auf das Wachstum von entzündungshemmenden Darmbakterien aus.“ Obstbrei beispielsweise aus geriebenem Apfel oder Möhrenbrei fördert Quellstoffe, die von den Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut werden. Diese wiederum ernähren die Schleimhaut. Die Buttersäure in Pellkartoffeln ist ein wichtiger Darm-Schützer. Sie liefert den Epithelzellen, die das Wachstum der Darmschleimhaut anregen, Energie. Auch alles was fermentiert ist wie zum Beispiel Sauerkraut, verdrängt krankmachende Bakterien und schützt die Schleimhaut. Setzen Sie außerdem Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen), Flohsamenschalen, Leinsamen, Chiasamen und Vollkornprodukte auf Ihren Speiseplan. Auf etwa 30 Gramm Ballaststoffe sollte man täglich kommen. Das klingt erst einmal nicht viel, wird aber mit unserer heutigen Ernährung oft nicht erreicht. Wer bisher eher wenig Ballaststoffe gegessen hat, sollte seinen Darm langsam daran gewöhnen und viel Wasser trinken, sonst verursachen die Pflanzenfasern Blähungen.

Fotos: Shutterstock (2)

Mikrobiom, Probiotika

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