Der Vibrator, den man irgendwann einfach vergessen hat

Beim Aufräumen kommt einiges zutage. Alte Kassenzettel, verstaubte Kabel, ein Lippenbalsam ohne Deckel. Und manchmal liegt da plötzlich ein Gegenstand, der kurz stutzt: ein Vibrator. Ein längst vergessener Vibrator, der tief in einer Schublade oder hinter einem Stapel Socken verschwunden war, kann für einen Moment ziemlich viel in Gang setzen – nicht emotional, nicht dramatisch, sondern einfach ein komischer kleiner Realitäts-Check.
Fundstück Vibrator – Was macht man in so einer Situation? Die meisten schauen das Ding kurz an, denken sich „ach ja… den gibt’s auch noch“ – und überlegen dann, ob man ihn einfach wieder zurücklegt oder doch mal auflädt. Es ist kein besonderer Moment, eher einer dieser unspektakulären, fast beiläufigen Begegnungen mit der eigenen Vergangenheit.
Warum solche Dinge überhaupt in Vergessenheit geraten, ist keine große Frage. Menschen verändern sich. Man testet etwas aus, benutzt es vielleicht ein paar Wochen lang regelmäßig – und dann schläft es ein. Nicht aus Unzufriedenheit, sondern einfach, weil der Alltag andere Prioritäten setzt. Ein Vibrator ist da kein Sonderfall. Genau wie ein Smoothie-Maker oder ein Springseil aus der Pandemie-Zeit: Irgendwann landet er im Abseits.
Behalten oder entsorgen?
Und genau wie beim Smoothie-Maker stellt man sich irgendwann die Frage: Behalten oder weg damit? Funktioniert das Ding überhaupt noch? Hat der Akku sich tiefen-entladen oder lässt sich da noch was machen? Und selbst wenn es technisch möglich wäre – hat man überhaupt noch Lust darauf?
Es gibt Leute, die nehmen so ein Wiedersehen zum Anlass, sich bewusst ein bisschen Zeit zu nehmen. Nicht unbedingt fürs Toy selbst, sondern eher für sich. Was hatte man damals vor, als man sich das Ding zugelegt hat? War es Neugier? Langeweile? Sehnsucht nach Nähe, nach sich selbst? Oder war es einfach ein Impulskauf, weil irgendein Testbericht besonders überzeugt hat?
Interessant wird es aber vor allem dann, wenn einem auffällt, wie beiläufig man mittlerweile mit dem Fund umgeht. Früher wäre so ein Moment vielleicht mit einem Grinsen, einem verschämten Blick oder einer schnellen Bewegung zur Seite verbunden gewesen. Heute bleibt man einfach kurz stehen, schaut drauf – und das war’s. Kein innerer Aufruhr, kein Reflex, das sofort zu verstecken. Einfach ein Gegenstand, der da liegt.
Vibratoren, die neue Normalität
Das sagt ziemlich viel aus. Nicht unbedingt über einen selbst, sondern darüber, wie sich die Wahrnehmung verändert hat. Vibratoren sind heute nichts Exotisches mehr. Sie gehören zum Alltag, zu Gesprächen unter Freundinnen, zu Artikeln in Zeitschriften, zu Badezimmer-Regalen. Vielleicht ist es gerade diese neue Normalität, die dafür sorgt, dass man sie auch einfach mal vergessen kann – weil sie eben keine große Sache mehr sind.
Früher hätte man einen Vibrator vielleicht irgendwo tief im Koffer versteckt, sicher in einem Säckchen mit Reißverschluss, irgendwo ganz unten im Schrank. Heute liegt er zwischen Haarklammern, Ersatzbatterien und Taschentüchern. Nicht aus Provokation, sondern einfach, weil es nicht mehr notwendig ist, so ein Ding zu verstecken.
Und wenn man ihn eben mal ein Jahr oder zwei nicht benutzt hat – dann ist das auch kein Thema. Der Moment, in dem man ihn wiederfindet, ist nicht mehr aufgeladen. Er ist schlicht da. So wie andere Dinge auch. Und je normaler solche Objekte geworden sind, desto entspannter geht man auch mit ihnen um.
Sich selbst begegnen
Manche legen ihn einfach wieder zurück. Andere überlegen, ob man damit vielleicht noch was anfangen möchte. Und wieder andere erinnern sich kurz an eine Phase, in der das eigene Leben ein bisschen anders war. Weniger stressig vielleicht, oder freier, oder einfach neugieriger.
Ob man das Ding dann wieder auflädt oder nicht, ist fast nebensächlich. Interessanter ist der Gedanke, dass man sich selbst in diesem Moment kurz begegnet – der Version von sich, die das damals gekauft hat. Und ganz egal, was daraus geworden ist: Es ist irgendwie schön, daran erinnert zu werden.
Am Ende ist es eben nur ein Gegenstand. Aber einer, der zwischendurch mal eine kleine Geschichte erzählt. Still, beiläufig und ganz ohne Drama.

CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.