Marrakesch ist nicht nur laut und bunt

Eine Stadt, reich an Tradition, Kunst und Kultur

Was kommt Ihnen bei Marrakesch in den Sinn? Ein Rausch an Farben, Feilschen und Nie-satt-sehen in den Souk-Märkten. Die traditionellen Wasserträger (Guerrab) mit ihren großen bunten Hüten und das Flötenspiel der Schlangenbeschwörer auf dem Djemaa el Fna. Dort auf dem Gaukler-Platz bei Minztee und Datteln das Fremdländische in sich aufsaugen. Das ist eine Seite von Marrakesch.

Willkommen im Garten Eden

Aber die Millionenstadt am Fuß des Atlasgebirges kann auch anders. Ruhiger und tiefgründiger, ein Ort mit viel Tradition, Kunst und Kultur. Einen wahrer Garten Eden inmitten der Medina offenbart sich dem Gast, sobald er durch die unscheinbare, niedrige Holzpforte des Riyad El Cadi schlüpft. Gleich acht Gebäude vereint das einstige „Haus des Richters“ aus dem 14. Jahrhundert mittlerweile in seinen kühlen Mauern. Ich finde mich in einem wundersamen Labyrinth wieder aus Innenhöfen, Nischen, Alkoven. Jedes der 17 Zimmer, viele mit Balkon zum Innenhof, sind liebevoll mit islamischer, byzantinischer Kunst und marokkanischem Berber-Kunsthandwerk ausgestattet. Fast wie in einem Museum komme ich mir vor, während ich anatolische Kelims, antike Holz-Reliefs aus Fes, osmanische Stickereien, rustikale Keramik aus Marokko und asiatische Möbelstücke bewundere. Die 20 Angestellten des Hauses sind so leise und diskret, dass man sie kaum je zu Gesicht bekommt.

Speisen unter Orangenbäumen

Der Vater der jetzigen Besitzerin Julia Bartels, ehemaliger Botschafter in Marokko, hat das Riyad El Cadi in den neunziger Jahren gekauft und stets erweitert. Im Haupthof, der zu dem Haus gehört, mit dem alles anfing, befindet sich das Restaurant inmitten von Orangenbäumen. Mittag- und Abendessen wird nach Anmeldung angeboten. Ich bestelle natürlich marrokanisches Essen und bekomme eine Auswahl an leckeren Mezze-Vorspeisen in kleinen Schalen serviert und danach Tajine mit Huhn, Kaninchen oder Rindfleisch in dem runden, aus Lehm gebrannten Schmorgefäß. Die beste, die ich je gegessen habe.

Das „Paradies“ im Innenhof

Gesellschaft leistet mir die El Cadi-Chefin. Von ihr erfahre ich viel über die marrokanische Riad-Kultur: Das arabische Wort „Riad“ bezeichnet „Gärten“. In Marokko und speziell in Marrakesch wird der Begriff für ein Stadthaus besonderer Art verwendet. Das gewöhnliche Stadthaus, das Dar, ist ein einfaches Innenhofhaus mit einem von einen Säulengang umgebenen Innenhof. Der Patio des Riad dagegen ist größer und beherbergt einen mit Bäumen bestandenen Garten: Vier rechteckige, mit Fruchtbäumen bepflanzte Flächen um einen Brunnen im Zentrum des Hofes geben Schatten und Rückzugsmöglichkeiten. Das Konzept des Riad vom vierteiligen Garten im Haus entspricht der Vorstellung des Korans vom himmlischen Paradies: Es ist ein Garten mit hohen Mauern und Toren, der mit schatten- und früchtespendenden Bäumen bewachsen ist.

Die kobaltblaue Welt von Yves Saint Laurent

Gärten spielen überhaupt eine wichtige Rolle in Marrkesch. Nicht neu, aber sehenswert ist der 4000 m² große Jardin Majorelle, zuletzt im Besitz von Yves Saint Laurent. Üppiger Bambus und zahlreiche, vielfältige Kakteen vermitteln eine waldartig-ruhige Atmosphäre. Eine spezielle Abstufung des Kobaltblaus, die im Garten sehr oft verwendet wurde, nennt man das Majorelle-Blau. Hinter einer Mauer sieht man die Spitze des Privathauses, wo der Modeschöpfer bis zu seinem Tod 2008 stets mehrere Monate im Jahr verbrachte. Erst im Oktober 2017 hat nebenan das Musée Yves Saint Laurent  eröffnet. Schon allein der elegante Granit-Ziegelstein-Bau ist wegen seiner beeindruckenden Architektur einen Besuch wert. Je nach Tageszeit erleuchtet die Fassade in Rosa und Rot. Streifenartige Lichtbrunnen kreieren im Inneren wunderschöne Lichteffekte. Auf 4.ooo Quadratmetern erhält man einen Einblick in die Arbeit von Saint Laurent und sein Leben in Marrakesch. Gezeigt werden in der Dauerausstellung rund 100 seiner Kreationen, darunter jener Damen-Smoking, mit dem er die Konventionen Modewelt einst auf den Kopf stellte. Außerdem gezeigt werden Accessoires und Entwürfe sowie dramatische Marrakesch-Bilder des Malers und Gartengründers Jacques Majorelle (1859–1926) vor majorelle-blauen Wänden und auch einiges an Bild- und Filmmaterial. Ich stehe morgens schon lange vor der Öffnung um 10 Uhr am Museum an, um die sonst elend lange Schlange am Ticketschalter und eine weitere am Einlass zu vermeiden. Tipp: Auch wenn Sie ein Kombiticket für den Jardin Majorelle mit erwerben, können Sie das lange Anstehen vor dem Garten überspringen.

Eine Fahrt über Land

Ebenfalls Garten und Museum bietet das Musée de la Palmeraie, außerhalb von Marrakeschs Stadtkern in der Palmeraie gelegen. Abgehend von der Route de Fes kann man sich bei der Fahrt viele interessante Eindrücke über Land und Leute verschaffen. In der stillen Oase findet man dann eine sehr ansprechende Sammlung moderner marokkanischer Künstler vor. Sie verteilt sich auf mehrere Gebäude, die von einem großen, andalusisch angelegten Garten umgeben sind mit Wasserbecken und Kakteengarten.

Der verwunschene Garten

Etwas ganz Besonders ist der Anima Garden von André Heller. Er liegt auf dem Weg ins Ourika Tal. Wenn man sich vorher über das Internet anmeldet, ist im Eintrittspreis der Shuttle Service von der Stadt aus inbegriffen. In dem üppig angelegten Garten gibt es verwunschene Gänge mit vielen Ecken und Nischen, um zu verweilen und die Seele baumeln zu lassen. Überall ist Kunst zu entdecken, manches davon mit einem sympathischen Sinn für Humor. Erholen kann man sich in einem Café, dem Ausstellungsräume mit weiterer Kunst angeschlossen sind – u.a Bilder des deutschen Malers Geerdts, der lange in Marrakesch gewirkt hat.

Unter marrokanischen Touristen

Julia Bartels erzählt mir vom Ourika Tal: „Es ist absolut touristisch, aber das ist für mich gerade das charmante dabei. Die Wasserfälle in Setti Fatma werden insbesondere von marokkanischen Touristen aufgesucht. Die Ufer des kleinen Flusses sind von Restaurants gesäumt, in denen jeden Tag ab Vormittag die Tajines auf dem Feuer dampfen. Die Tische stehen nicht selten im Wasser des Flusses, so dass die Gäste ihre Füße kühlen können. Alles ist bunt und farbenfroh, die Tischdecken wie auch die zahlreichen Andenkenlädchen, denen man auf dem Weg hoch zu den Wasserfällen begegnet. Der Weg ist steinig und steil und nicht leicht zu erklettern. Besonders an gut besuchten Tagen kann es sehr eng werden. Das schreckt aber selbst die fülligsten Damen in ihren Babouches (Schlappen) nicht ab. Sie werden von den Führern den halben Weg hinauf geschoben.“ Das muss ich sehen. Und tatsächlich ist alles so wie von Julia beschrieben. Die Landschaft in den Atlas Bergen ist überall atemberaubend, auch auf anderen Strecken. An jeder Kurve entdeckt man neue, großartige Bergformationen, hübsche kleine Dörfer und im Frühling Massen von blühenden Oleandern. Auf der Route d‘Ourika in Douar Takaterete mache ich Bekanntschaft mit der Schweizerin Christine Ferrari, eine mutige Expat, die dort alleine, nur mit Hilfe von Berber-Familien eine biologische Safran Plantage betreibt. Im „Le Paradis du Safran“ hat sie auf 2,5 Hektar fast 100 verschiedene Pflanzen wie unzählige Kräuter- und Arzneipflanzen sowie Zitrus-Früchte und exotische Fruchtbäume kultiviert. Im Preis von 10 Euro pro Person ist der Gartenrundgang, ein Barfuss-Weg und Kneippen mit Kräutern, Blüten-Mineralwasser und Kräutertee mit Safran eingeschlossen. Eines steht für mich fest: Im Ourika Tal ist eindeutig der Weg das Ziel.

Julia Bartels Insider-Tipps

Zum Essen:

Al Fassia in Guéliz und in Agdal. Rein marokkanische Küche mit traditionellen Gerichten aus Fes. Das Restaurant wird nur von Frauen geleitet (der Sicherheitsmann ist der einzige Mann in diesem Laden). Berühmt ist die gold gebackene Lammschulter, die man für zwei Personen und im Voraus bestellen muss. Le Foundouk: gute marokkanische und französische Küche. Moderne Einrichtung mit einem marokkanischen Twist. Die Location ist eine ehemalige Karawanserai (Foundouk). Le Salama direkt am Gauklerplatz gelegen ist ein Restaurant im Bistro-Stil à la Marocaine. Gute Küche, guter Service. Gegen 21.30 Uhr gibt es an belebteren Tagen einen Auftritt von Bauchtänzerinnen. Das Nomad ist der jüngste Hotspot in der Medina. Schickes Lokal mit spektakulärem Blick auf den Place des Epices. Sowohl marokkanische als auch internationale Küche. Unbedingt reservieren. Le Jardin vom selben Betreiber wie das Café des Epices und Nomades. Man sitzt kühl unter Palmen und kann Schildkröten füttern, während die Kanarienvögel lustig zwitschern. Das Essen ist eine Mischung aus international und marokkanisch. Hier wird Alkohol serviert. La Trattoria di Giancarlo in Guéliz ist zu empfehlen, wenn man der marokkanischen Küche überdrüssig ist. Gute italienische Küche, unglaublich netter Service. Man sitzt lauschig am Pool hinten im Garten. Vorne kann man seine Drinks einnehmen oder später am Kamin – designed von Marrakeschs Star-Desiger Bill Willis – sitzen.

Zum Shoppen:

Definitiv sollte man die Souks besuchen. Man wird zwar schnell erschlagen von den Massen an Waren, aber die Kreativität der marokkanischen Handwerker ist schon sehr schön anzusehen. Mitbringen sollte man Zeit, Geduld und eine Menge Humor. Mit viel Witz macht auch das Handeln noch mehr Spaß. Schön ist der Laden Fil D’or im Souk Semmarine. Die Händler sind ungemein freundlich. Sie verkaufen die edelsten Babouches aus feinem Leder. Über eine Hühnerleiter hinunter in den Keller eröffnet sich dem Besucher eine Art Höhle des Ali Baba, in reich bestickte Tuniken, Stolen und vieles mehr zum Kauf verführen. Traumhafte Teppiche findet man bei Bazar du Sud im Teppich-Bazar. Die Brüder Lamdaghri haben nicht weit von ihrem Laden einen wundervollen Showroom eröffnet. Bitte Termin vereinbaren, damit auch jemand da ist. Schönes Altes (Schmuck und antike Textilien, Kästchen etc) findet man beim Einäugigen am Ende von Souq Mouassine, kurz vor der Kreuzung auf der linken Seite oder im Coffre des Mysterieux. In einem immensen Fundus an altem Schmuck mit wunderschönen Perlen, Silberarbeiten und traditionellen Steinen kann man bei Bel Haj im ersten Stock des Foundouk Bab Ftouh stöbern. Er betreibt zwei Ladengeschäfte, eines an der Westseite und ein kleineres in der nordöstlichen Ecke des Foundouks, in dem er die feinsten Steine dem kundigen Käufer unter der Theke hervor holt. Für moderneres Design ist ist das Atelier Moro am Place de Mouassine zu empfehlen. Eine steile Treppe führt in den ersten Stock mit vielen ausgefallenen, zauberhaften Designartikeln: Muschelketten aus Marokko, Pareos aus Sri Lanka, im eigenen Design erdachte Kissenbezüge. Neueres Design gibt es ebenfalls in den vielen kleinen Lädchen der Galerie unter den Terrasses des Epices. Tuniken mit moderner Anmutung kauft man entweder im Beldi im Souq Mouassine oder Akbar Delights (sehr schön, sehr üppig, sehr teuer) im Place Bab Ftouh. Rund um den Jardin Majorelle ist ein neues hippes Shopping-Viertel entstanden mit Konzept-Stores wie 33 Rue Majorelle und dem 16 Kawa. Bei The Maroccans, Rue Yves Saint Laurent, gibt es Interieur, traditionelle Kaftane modisch interpretiert und ausgefallene Accessoires. Héritage Berbère bietet wunderbar duftende marokkanische Parfums und Taschen im Birkin-Stil aus grobem, bedruckten Sackleinen.

Zum Ausgehen:

In der Medina bietet das Restaurant Le Salama Drinks an. Klassiker mit Grandezza ist die Churchill Bar im Hotel Mamounia, allerdings auch recht teuer. Ein weiterer absoluter Klassiker, allerdings lauter und lebendiger, ist die Bar vom Le Comptoir. Abends treten dort Musiker, Tänzer mit und ohne Kerzen, Männergruppen in wechselnden Darbietungen auf. Für Expats und sehr modern ist das Kechmara in Guéliz – ein bißchen Berlin-Flair in Marrakesch. Gleiches gilt für das Bo-Zin, es liegt aber deutlich weiter außerhalb. Einen hübschen Blick über die Dächer der Neustadt genießt man von der Skybar des Hotels La Renaissance. Allerdings ist die Bedienung dort phänomenal nachlässig. Wundervoll eingerichtet von Star-Architekt Bill Willis ist die Bar der Trattoria.

Marokko, Nordafrika, Reisen, Riad

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