Ist Zuverlässigkeit uncool geworden?

Zuverlässigkeit war mir schon immer wichtig. Ich bin halt so erzogen – was man verspricht, muss man auch halten. Typisch deutsch, sagen die Italiener in dem Land, in dem ich jetzt die meiste Zeit des Jahres lebe. Wenn ich jemandem zusage, dass ich an einem bestimmten Tag um eine bestimmte Uhrzeit komme, bin ich meistens schon etwas früher da. Wenn ich etwas nicht machen will, dann sage ich das auch. Sollte ich wirklich mal aus triftigen Gründen einen Termin nicht einhalten können, gebe ich rechtzeitig Bescheid. Aber ich habe das Gefühl, dass Zuverlässigkeit inzwischen aus der Mode gekommen ist, ein Relikt veralteter Erziehungsmethoden und gar von einem gewissen Spießertum zeugt. Einfach uncool!

Zuverlässigkeit? Fehlanzeige!

Ich erlebe es immer wieder und immer öfter. Es werden Verabredungen getroffen, aber nicht eingehalten. Geht es nur mir so, frage ich mich manchmal, dass Zuverlässigkeit in meinem Umfeld aus der Mode gekommen ist. Oder kennt ihr das auch? Da ist die Freundin, die schon vor Corona Immer regelmäßig versprochen hat, mich auf dem Land zu besuchen zu einem Spaziergang mit unseren Hunden.

Erst war Corona eine gute Ausrede, dann kam der Pilates-Lehrgang dazwischen, der kranke Onkel und und und. Termine wurden vereinbart und wieder abgesagt – meist am Tag der Verabredung – oder auch gar nicht. Trotzdem wurde zwischendurch immer wieder eine Absichtserklärung für den Besuch am nächsten Wochenende abgegeben („aber dann komme ich auch bestimmt“), das dann doch nie eingelöst wurde. Bei bestimmten Personen reagiere ich schon gar nicht mehr auf solche Ansagen.

Aber dieser Mangel an Zuverlässigkeit beschränkt sich nicht auf den privaten Bereich. Da ist beispielsweise das Restaurant am oberbayrischen Wörthsee, in dem ich einen Tisch fest gebucht hatte unter Hinterlassen meines Namens und meiner Telefonnummer. Als wir dann mit der Familie an besagtem Abend vor der Türe standen, hatte das Restaurant geschlossen – aus welchem Grund auch immer. Aber keiner hatte es für nötig gehalten hat, mir Bescheid zu geben.

Kopfschmerzen oder ein neuer Lover

Oder die andere Bekannte, mit der ich mich auf ihren Vorschlag hin fest für einen Hundespaziergang verabredet habe. Zwei Stunden vorher hat sie mit Kopfschmerzen abgesagt, weil sich das Wetter geändert habe. Allerdings hatte sie mich schon am Abend vorher vorgewarnt, falls es regnen würde, wäre sie ein Weichei und würde nicht kommen. Ich hätte es mir eigentlich denken können, dass ich bei ihr nicht mit Zuverlässigkeit rechnen kann.

Noch ein Beispiel für mangelnde Zuverlässigkeit: Eine Kollegin hatte sich für eine gemeinsame Shopping-Tour committet. An dem vereinbarten Vormittag erschien sie einfach nicht und behauptete auf meine Nachfrage, es wäre ja nicht so fest verabredet gewesen. In Wirklichkeit hat sie es vorgezogen mit ihrem neuen Lover zum Baden an den See zu fahren, wie ich dann aus Instagram entnommen habe. Danke social media!

Hinhalte-Taktik, nein danke!

Aber es kommt noch dreister, als eine Freundin, die ich tatsächlich dafür hielt, sich im letzten Jahr bei mir in Italien für eine Urlaubswoche selbst eingeladen hat. Zuvor wollte sie eine Woche in einem Golfhotel nicht allzu weit von meinem Wohnort entfernt verbringen. Ich hatte mich auch auf ihren Besuch gefreut und gut vorbereitet. Tagelang war ich mit den Vorbereitungen beschäftigt, habe geputzt, die Gästewohnung aufgehübscht mit neuen Accessoires und sogar ihr Lieblingsgetränk Coca Cola Light – was ich persönlich hasse – reichlich eingekauft.

Am Tag der geplanten Ankunft hörte ich nichts von ihr. Als ich sie dann endlich ans Telefon bekam, behauptete sie, die Tage vorher in dem italienischen Golf-Ressort kein Netz (!) gehabt zu haben, und jetzt müsse ihr Wagen erst mal in die Werkstatt für zwei Tage. Am dritten Tag hat sie mir dann endgültig per WhatsApp Bescheid gegeben, dass sie doch nicht mehr kommen würde. Kein Es-tut-mir-leid, kein Anruf, als sie längst wieder zu Hause in Deutschland war. Wahrscheinlich hatte sie bessere Angebote bekommen oder in dem Ressort einen heißen Typen getroffen. Hätte ich sogar verstanden, wenn sie mir die Wahrheit gesagt hätte statt zu flunkern.

Absagen per WhatsApp

Diese Leichtfertigkeit mit der man heute Verabredungen auf WhatsApp trifft und absagt, erstaunt mich immer wieder. Klar, es ist halt so einfach. Man sieht den anderen nicht, man hört ihn nicht. Denn auch aus Stimmen kann man kleine Schwindeleien oft viel zu schnell heraushören. Online bleibt die Lüge viel eher unentdeckt. Smileys sind stumm. Die moderne Kommunikation mit ein paar Zeilen im Telegramm-Stil, einem Emoji und einem schnellen Klick macht alles viel unkomplizierter und anonymer.

Trotzdem gibt es glücklicherweise immer noch Menschen in meinem Umfeld, die ihre Verabredungen einhalten und auch ein vielleicht unangenehmes Gespräch nicht scheuen, wenn es denn mal nötig ist. An die halte ich mich in Zukunft, und die Unzuverlässigen können mir ab sofort gestohlen bleiben. Das ist mein fester Vorsatz für 2024!

Zuverlässigkeit

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