Nahrungsergänzung: Pillen sind keine Bonbons

Waren wir Deutschen bislang eher zurückhaltend, wenn es um Nahrungsergänzungsmittel ging, hat sich das seit der Pandemie deutlich gewandelt. Statistiken zufolge schlucken inzwischen 70 Prozent der Bevölkerung Vitamine und Co.

Vor wenigen Monaten veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) die neuesten Zahlen zum Verbrauch von Nahrungsergänzungsmitteln in Deutschland: Im Jahr 2020 wurden rund 180.200 Tonnen Supplements produziert, knapp 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die wurden auch konsumiert, denn laut einer Umfrage von „Statista Global Consumer Survey“ nehmen nur 30 Prozent der Deutschen keine Nahrungsergänzungsmittel ein. Am beliebtesten bei den Consumern sind Vitamine (53 Prozent) und Mineralien (33 Prozent). Dahinter folgen Proteine, die jede:r fünfte der Studien-Teilnehmer:innen zusätzlich auf seiner Liste hatte.

Nahrungsergänzungsmittel als Prävention

In Corona-Zeiten ist die Angst vor Erkrankungen gestiegen – zum Vorteil für die Hersteller von Pillen, Pülverchen, Shots und anderen Nutricosmetics. Während viele Unternehmen in Not gerieten, profitierten diese vom gesteigerten Verbraucherinteresse. Douglas-Chefin Tina Müller, die im vergangenen Jahr europaweit 2400 Filialen der Parfümeriekette geschlossen hat und herbe Umsatzeinbußen einstecken musste, bezeichnete im Handelsblatt Nahrungsergänzungsmittel als einen Hoffnungswert für ihr Unternehmen: Sie sagte, die Kunden säßen „erzwungenermaßen zu Hause“ und hätten „mehr denn je großes Interesse“ an Pflegeprodukten und insbesondere an Supplements. Und Bayer-Chef Werner Baumann bestätigte, dass die Nachfrage „bei bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln, die die Gesundheit unterstützen, derzeit drei- bis fünfmal so hoch wie üblich“ sei.

Einmal Kunde, immer Kunde. Supplement-Verwender sind treu. Die meisten kaufen immer wieder nach. Oft steckt ein nicht unerheblicher psychologischer Effekt dahinter. Denn nimmt man die Produkte einige Zeit lang, bekommt man schnell ein schlechtes Gewissen, wenn man damit aufhört. Man überlegt, was wäre gewesen, hätte man nichts eingenommen. Wäre man dann weniger gesund? Also wird weiter geschluckt. Der Effekt, den man bei Supplements zu spüren glaubt, wie festere Nägel oder kräftigere Haare, ist oft nicht mal wirklich vorhanden, aber man fühlt sich einfach besser damit. Der Placebo-Effekt, der durchaus nachweisbare Resultate bringt, ist schließlich ein nicht unbekanntes Phänomen.

Brauche ich überhaupt Nahrungsergänzungsmittel?

Auf die Werbung alleine, was die Pillen alles Gutes tun, sollte man sich nicht verlassen. Wenn man schon der Meinung ist, eine Nahrungsergänzung zu benötigen oder ein bestimmtes Produkt ausprobieren will, sollte man wenigstens vorher mit einem Spezialisten darüber sprechen, ob es auch zum persönlichen Gesundheitsprofil passt. Das kann ein Arzt sein, ein Ernährungsberater oder auch ein Fachapotheker mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung. Denn ganz wichtig ist die richtige Dosierung und dass man nicht wahllos Beauty- bzw. Gesundheitspillen einwirft und miteinander kombiniert.

Das Zeitmanagement spielt eine wichtige Rolle: Wann nehme ich welche Produkte ein? Morgens, mittags oder abends, vor, zum oder nach dem Essen? Und wenn ich mehrere Nahrungsergänzungsmittel konsumieren möchte, darf ich sie alle zusammen schlucken oder besser getrennt voneinander? Auf der Verpackung steht häufig nur eine Dosierempfehlung für die Menge. Wird jedoch eine Tageszeit für den Verzehr angegeben, sollte man die auf alle Fälle befolgen.

Welche Pillen zu welcher Tageszeit?

Das ist nicht unwichtig, weil gerade Mittel, die fit machen, abends zu Schlafstörungen führen würden. Dazu gehört beispielsweise Rhodiola Rosea – auch als Rosenwurz bekannt -, ein Stresskiller und natürliches Antidepressiva. Auch ein hochdosierter Vitamin B-Komplex gilt eher als anregend. Vitamin D stimuliert Serotonin (ein Wohlfühl-Neurotransmitter) und kann deshalb abends das Schlaf-Hormon Melatonin senken. Vitamin C, Magnesium und L-Tryptophan wirken dagegen beruhigend und können gut abends eingenommen werden. Zink aufgrund der besseren Verträglichkeit und Aufnahme auch auf den Abend-Plan schreiben. Probiotische Nahrungsergänzung direkt vor dem Zubettgehen und ohne Mahlzeit verzehren. Ansonsten könnten Verdauungsenzyme und Magensäure die Wirkung mindern.

Generell gesehen ist es am besten, Nahrungsergänzungsmittel tagsüber einzunehmen. Dann kann der Körper sie optimal verwerten, weil der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft. Bei einem empfindlichen Magen kombiniert man sie mit einer Mahlzeit, denn nüchtern kann es zu Magenproblemen führen. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E, K sowie Omega-3 brauchen Fett, damit sie optimal verarbeitet werden können, also immer zum Essen schlucken. Dabei sind schon minimale Fettmengen ausreichend, wie sie in einem ölhaltigem Salat-Dressing oder einem Gemüsegericht, das mit etwas Öl zubereitet wurde, vorhanden sind.

Den Mineralstoff Calcium ebenfalls zum Essen einnehmen, weil dessen Aufnahme von ausreichend Magensäure abhängig ist. Eisenpräparate sollte man vorzugsweise nüchtern oder gegebenenfalls 1-2 Stunden nach einer Mahlzeit schlucken. Wiederum nicht auf leeren Magen, sondern eher zum Essen gehören konzentrierte Ballaststoffe wie Haferkleie, Pektin, Flohsamen- und Konjak-Pulver, Heilerden generell und die Alpha-Liponsäure. Zu Ballaststoffen immer sehr viel Wasser trinken. Grundsätzlich sollte man Nahrungsergänzungsmittel nicht mit Tee, Kaffee oder Milch hinunterspülen. Solche Getränke können die Resorption von Vitalstoffen behindern.

Wer verträgt sich mit wem?

In der Regel lassen sich Supplements gut miteinander kombinieren. Schließlich besteht eine Mahlzeit ebenfalls aus verschiedenen Vitalstoffen. Bei manchen Präparaten ergeben sich auch Synergieeffekte wie bei der Kombination von Eisen mit Vitamin C, es verbessert die Verwertung von Eisen maßgeblich. Vitamin D kann vom Organismus nur in seine aktive Form umgewandelt werden, wenn Magnesium im Spiel ist. Ähnlich verhält es sich mit Kurkuma und Piperin. Das Extrakt aus dem schwarzem Pfeffer sorgt dafür, dass das entzündungsreduzierende Kurkuma bis zu 20-fach besser aufgenommen werden kann.

Zu den Substanzen, die nicht kombiniert werden können, gehört die Alpha-Liponsäure: Ihre Aufgabe ist es, Schwermetalle zu binden. Nimmt man sie gemeinsam mit einem Metall wie z. B. Zink ein, bindet sie dieses ebenfalls. Das bedeutet nicht nur, dass man von der Zinkeinnahme nicht profitiert. Gleichzeitig hat die Alpha-Liponsäure weniger Power, um Schwermetalle zu binden. Deshalb empfiehlt sich eine zeitlich getrennte Einnahme von etwa 30 Minuten. Und das nicht nur im Abstand von anderen Präparaten, sondern auch von den Mahlzeiten, da auch sie metallische Spurenelemente beinhalten. Gleichfalls Abstand halten sollte man bei der Verwendung von Magnesium und Calcium. In hoher Dosierung (z.B. 300 mg Magnesium und 1000 mg Calcium) können sich beide Mineralstoffe bei der Aufnahme im Darm gegenseitig beeinträchtigen.

Der Vorteil von Multivitaminpräparaten

Wenige nachdenken muss man bei Multivitaminpräparaten. Hier sind die einzelnen Vitamine und Mineralstoffe meist in moderaten Mengen enthalten. Sie decken vielleicht nur 20 bis 50 Prozent des jeweiligen Bedarfs. Das macht aber nichts, weil man mit der Nahrung ja auch noch etwas von diesen Substanzen zu sich nimmt. Deshalb sind 100 Prozent Abdeckung einer Referenz-Menge, wie es oft auf der Verpackung angegeben wird, unnötig. Multivitamin-Produkte haben den Vorteil, dass sich in dieser Dosierung auch Substanzen wie Magnesium und Calcium gegenseitig kaum behindern. Erst wenn von einer Substanz sehr viel und von einer anderen wenig aufgenommen wird, hemmt der hochdosierte Stoff den niedriger dosierten.

Bei manchen Supplements macht es mehr Sinn, die Tagesmenge auf mehrere Rationen tagsüber zu verteilen. Gerade bei Vitamin C und Magnesium sind die Resorptionskapazitäten des Körpers beschränkt. In zwei bis drei Einzeldosen aufgeteilt, kann der Organismus mehr davon aufnehmen. Beispiel Magnesium: Besser zweimal täglich jeweils 150 mg einnehmen als einmal 300 mg. Bei Vitamin C sind täglich drei Portionen von circa jeweils 350 mg vernünftiger als eine Einmaldosis von 1000 mg. Eine gute Lösung für hochdosiertes Eisen: Die erforderliche Dosis nur alle zwei Tage zuführen, und dabei die jeweilige Dosis auf zweimal verteilen, also morgens und abends.

Kritische Medikamente

Nicht uninteressant zu wissen ist auch, dass Medikamente dem Körper Nährstoffe entziehen können, d.h. es entstehen Wechselwirkungen zwischen bestimmten Arzneien und Vitalstoffen. Die amerikanische Buchautorin und Apothekerin Suzy Cohen hat dazu ein umfassendes Buch veröffentlicht mit dem Titel „Vorsicht Nährstoffräuber!“ Da führt sie auch die Kombination von Kaffee und Stimmungsaufhellern an. Ein Antidepressiva, das zum Morgenkaffee eingenommen wird, kann Zittern und Panikattaken hervorrufen. Das bekannteste Diabetes-MIttel Metformin, das neuerdings auch als Longevity-Maßnahme diskutiert wird, reduziert Folsäure und Vitamin B 12. Säureblocker, Analgetika, Antihistaminika und Blutdrucksenker hemmen das schlaffördernde Hormon Melatonin, während Zink durch antivirale Mittel und Blutdrucksenker, aber auch durch Antiazida gegen Sodbrennen (z.B. Pantoprazol) verloren geht.

Vorsicht Nährstoffräuber!

Das Buch der amerikanischen Apothekerin Suzy Cohen informiert ausführlich, wie Medikamente dem Körper essenzielle Nährstoffe entziehen und wie man den Mangel auf natürliche Weise ausgleichen kann. Gebundene Ausgabe*, 384 Seiten, 9,99 Euro

Statine, also Cholesterinsenker, blockieren die körpereigene Q10-Synthese, da beide in der Leber durch ein bestimmtes Enzym gebildet werden. Das kann einen Mangel an dem vitaminähnlichen Coenzym Q10 zur Folge haben. Vitamin K sollte man nicht einnehmen, wenn man blutgerinnungshemmende Medikamente benötigt, da es als Gegenspieler fungiert. Der Körper bildet in der Leber Gerinnungsfaktoren z.T. nur in Gegenwart von Vitamin K. Soll eine Verzögerung der Blutgerinnung erreicht werden, ist eine Zufuhr von Vitamin K kontraproduktiv. Auch die Anti-Baby-Pille kann einen Nährstoffmangel hervorrufen. Sie erhöht den Bedarf an Folsäure, den B-Vitaminen (B1, B2, B6, B12) und Vitamin C. Außerdem wird die Aufnahme von Magnesium und Zink beeinträchtigt.
Auch von diesem Aspekt her ist es sinnvoll, sich medizinischen Rückendeckung zu holen, bevor man Nahrungsergänzungsmittel einnimmt.

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