Ist mein Lippenstift genderneutral?
Beauty-Brands, die genderneutrales Make-up anbieten schießen wie Pilze aus dem Boden. In anderen Bereichen mag Gender-Freiheit ja durchaus sinnvoll sein, aber ist sie, wenn es ums Schminken geht, nicht doch etwas übertrieben? Da stellt sich die Frage, was unterscheidet einen Lippenstift für Frauen von einem Lippenstift für jedes Geschlecht? Macht das Sinn oder ist alles wieder nur eine Marketing-Strategie?
Wenn es um die Definition der Geschlechter geht, werden heute feine Unterschiede gemacht. Wir sprechen nicht einfach mehr von Frauen und Männern, sondern es sind cis-Frauen und cis-Männer. Das sind die, die sich mit dem in der Geburtsurkunde eingetragenen Geschlecht „männlich“ oder „weiblich“ identifizieren und eindeutig von sich sagen „Ich bin eine Frau“ oder „Ich bin ein Mann“.
„cis-“ kommt übrigens aus dem Lateinischen und bedeutet in diesem Zusammenhang, diesseits, binnen, innerhalb und ist damit das Gegenteil von trans-, auf der anderen Seite, über, hinüber. Neben diesen cis-Menschen gibt es trans male/trans man (Trans-Mann, als Frau geboren, jetzt Mann) und trans female/trans woman (Trans-Frau, als Mann geboren, jetzt Frau), außerdem gender queer/gender non-conforming (geschlechtsneutral, ohne Geschlechterrolle) und schließlich noch different identitys (andere Identität).
Kosmetik war lange weiblich besetzt
Man muss zugeben, dass alle PR-Kampagnen und Werbefilme, die in den letzten Jahrzehnten von Kosmetik-Firmen veröffentlich wurden, weiblich besetzt waren. Die Zielgruppe eindeutig definiert: Frau zwischen 18 und 36 Jahren, gutes Einkommen und im Background einen Ehemann (es war immer ein Ehemann!), dessen Beauty-Einkäufe, sie gleich mit erledigte.
Dabei ist die Verwendung von Schminke in keinster Weise traditionsgemäß weiblich besetzt. Tatsächlich waren Männer die ersten Kosmetikverwender. Schon 4000 v. Chr. malten sich im alten Ägypten Herrscher und Mitglieder des Adels dramatisch schwarze Katzenaugen, weil sie damit ihren Wohlstand demonstrierten und auch glaubten, auf diese Weise den Göttern näher zu sein. Römer praktizierten Maniküre mit Schweineblut, und die Briten beschmierten sich zur Abschreckung mit blauer Farbe.
Ab dem 20. Jahrhundert galt für Männer die Verwendung von Make-up als grenzüberschreitend. Trotzdem gab es auch in dieser Zeit bemerkenswerte Ausnahmen, wahre Ikonen wie David Bowie oder Prince, die durch Make-up ihre Einzigartigkeit unterstrichen. 2003 kam die erste Make-up-Kollektion für Männer auf den Markt.
Enfant terrible Jean Paul Gaultier lancierte damals seine „Le Mâle Tout Beau Tout Propre“-Kollektion bestehend aus Feuchtigkeitscreme, Bräunungspuder, Lipgloss, Nagellack, Brauen- und Wimpern-Pflege, Concealer und Eyeliner. Metrosexualität nannte man diese Veränderung in der Geschlechterwahrnehmung. Gaultier betonte damals ausdrücklich in einem Interview mit dem deutschen Handelsblatt, dass seine Kosmetik nicht für Schwule gedacht sei, sondern für den Business-Mann: „Das ist wie bei einem gelungenen Fotoshooting.… weiterlesen
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.