Besser riechen? Das kann man trainieren

Wir riechen bevor wir sehen. Doch erst wenn man den Geruchssinn mal verloren hat, weiß man ihn richtig zu schätzen. Gerade in der Covid-19-Pandemie hat er an Bedeutung gewonnen, denn der Geruchsverlust gehört zu den Krankheitssymptomen, die nach einer Ansteckung noch lange erhalten bleiben. Doch nicht nur im Umgang mit Corona kann ein spezielles Riechtraining helfen, den Geruchssinn zu trainieren und deutlich zu verbessern.

Frage ich Sie, welche Gerüche Sie seit heute Morgen bewusst wahrgenommen haben, werden Sie sich allenfalls an extreme Riech-Erlebnisse erinnern. Was Sie alles gesehen haben, läuft dagegen als fast lückenloser Film vor Ihrem inneren Auge ab. Eine Art Geruchsfilm gibt es nicht. Wir riechen zwar ständig, aber wenn wir uns nicht darauf konzentrieren, läuft das Riechen vor allem unterbewusst ab. Erst wenn der Geruchssinn gestört ist oder verlorengeht, erkennen wir seine Bedeutung im Alltag. Bei einer schweren Erkältung, einer Sinusitis oder nach einer Covid-Erkrankung beispielsweise. Forscher vermuten die Ursache nicht nur bei den von den Viren angegriffenen Riechzellen der Nasenschleimhaut, sondern im Gehirn selbst: Tierversuche haben gezeigt, dass Viren über die Riechzellen und die weiterleitenden Nerven ins Gehirn vordringen, wo sie die neurologische Verarbeitung der Riechimpulse stören. Aber auch unter normalen Umständen nimmt die Riechfähigkeit ab circa 60 Jahren ab. Bei den über 80-Jährigen hat jeder Zweite sein Riechvermögen vollständig eingebüßt. Statistisch können fünf Prozent der Menschen überhaupt nichts riechen und 15 Prozent nur eingeschränkt.

Rosenduft oder Stinkefisch?

Wodurch erkennen wir, ob der Geruch, der uns in die Nase steigt, von stinkendem Fisch oder einer duftenden Rose verursacht wird? Professor Thomas Hummel, der das „Interdisziplinäre Zentrum für Riechen und Schmecken“ am Uniklinikum Dresden leitet, erklärt es so: „Die durch die Luft schwebenden Moleküle erreichen die Nase und dort das Riech-Epithel. Durch den Riech-Schleim müssen sie teilweise mit Hilfe spezieller Transportproteine hindurchgeschleust werden. Dann docken sie an einem Rezeptor-Molekül an, wodurch ein Signal in einem der Riechnerven ausgelöst wird. Das erreicht den Riechkolben, der vorne im Schädel zwischen den Augen sitzt. Dort wird die Information verarbeitet und an das Zentralnervensystem weitergeleitet. Da wird das Signal verknüpft, mit Erinnerungen etwa, Gelerntem, abgeglichen mit anderen Sinnes-Eindrücken, und daraus entsteht dann letztlich etwa die Empfindung ‚Rose‘.“

Riechen wie ein Profi

In der Riechschleimhaut, einem fünf Quadratzentimeter großen Organ am oberen Ende der Nasenhöhle, befinden sich zwischen zehn und 30 Millionen Nervenzellen. Diese erneuern sich in einem Rhythmus von vier bis sechs Wochen und besitzen Rezeptoren für zirka 400 verschiedene Duftstoffe. Gerüche setzen sich oft aus mehreren hundert Molekülen zusammen. Bisher hieß es immer, ein gesunder Mensch könne mehr als 10.000 verschiedene Duftnoten unterscheiden. Inzwischen haben Wissenschaftler ihre Schätzung weit nach oben korrigieren. Bis über eine Billion kann der Geruchssinn des Menschen auseinanderhalten, das hat der Wissenschaftler Andreas Keller von der Rockefeller University in New York in einer Studie belegt. Allerdings fällt es dem Laien oft schwer, Gerüche zu beschreiben. Aber das liegt weniger an unseren Nasen als am Aufbau des Gehirns und dem fehlenden Vokabular. Es mangelt uns einfach am Training. Parfümeure lernen während ihrer Ausbildung im französischen Grasse beispielsweise circa 1500 natürliche und synthetische Gerüche auswendig. Sie können minimale Unterschiede erkennen und auch benennen, wie die verschiedenen Nuancen von verschiedenen Lavendel-Sorten, die für den Laien alle gleich duften. Aber dabei muss es nicht bleiben. „Man kann aus Nicht-Riechern Riecher machen, die Sensitivität auf Geruchsstoffe kann sich um das 100.000-fache erhöhen“, erklärt Prof. Hummel, der für seine Klinik ein spezielles Riech-Lernprogramm entwickelt hat und das die Berliner Parfümeurin Marie Le Febvre für ihre Kunden erweitert hat.

Duft-Memory

Das „Urban Scents“-Kit besteht aus einem blauen Kästchen mit fünf kleinen Fläschchen, die jeweils 6,5 ml 100 Prozent natürliche aromatische Öle enthalten. Es sind sehr prägnante Duftstoffe: Rose (blumig), Eukalyptus (würzig), Gewürznelke (harzig), Zitrone (fruchtig) und Birkenharz (rauchig). Das Riech-Training soll täglich morgens und abends erfolgen. Die Fläschchen wie bei dem verbotenen Hütchenspiel auf der Straße durchmischen, nicht aufs Etikett schauen. Eines auswählen, gut schütteln und dann öffnen. Erst tief atmen, dann das Aroma circa 20 Sekunden lang einatmen. Anders als bei einer Weinprobe soll man den Geruch nicht nur erkennen und zuordnen, sondern wahrnehmen. Das heißt wie bei einer Art Duft-Memory lässt der gerochene Düfte entsprechende Bilder im Kopf entstehen. Es heißt, damit prägt sich der Riecheindruck deutlicher ein und lässt sich auch wieder besser abrufen. Bei Zitrone beispielsweise zeigt das Kopfkino den Ausflug mit dem ersten Freund zur Zitronenernte in Süditalien. Nach zwei Wochen täglichem Training ist der Geruchssinn bereits deutlich verfeinert. Man kann sogar Alltags-Gerüche leichter identifizieren und nimmt sie intensiver wahr. Das Riech-Training ist offensichtlich eine Art Frischzellenkur fürs Gehirn. Experten behaupten, neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen werden geschaffen und der Gehirnstoffwechsel verbessert. Denkprozesse, Konzentration und Leistungsfähigkeit werden angeregt.

3 Fragen an Parfümeurin Marie Le Febvre

Wie kamen Sie auf die Idee für das Riech-Set?
 

Wir haben tatsächlich lange an dem Thema gearbeitet, seit wir uns durch unsere Arbeit der Geruchsstörungen bewusst sind. In den letzten Jahren haben wir mit der Berliner Charité an den Nebenwirkungen von Medikamenten wie Chemotherapie gearbeitet. Die Dynamik unserer Forschung änderte sich jedoch drastisch, als wir im März 2020 erfuhren, dass zwei meiner engsten Freunde, beide Parfümeure in Paris, mit Corona infiziert waren und ihren Geruchssinn verloren haben! Wir haben uns viel mit dem international bekannten Experten Professor Thomas Hummel von der Universitätsklinik in Dresden und Professor Caroline Huart aus Brüssel ausgetauscht. Sie haben uns eine Menge Unterlagen ihrer Arbeit und medizinische Studien geschickt, die sie im Laufe der Jahre über das „Geruchstraining“ durchgeführt haben. Und wir haben erkannt, dass das Riechtraining wirklich funktioniert. Daraufhin haben wir beschlossen, ein gebrauchsfertiges Set mit den besten Zutaten zu kreieren.

Benutzen Sie die gleichen Essenzen auch in Ihrem Duftlabor?
  
Diese Zutaten sind 100% natürliche Essenzen, die ich auch für meine Parfum-Kreationen verwende. Für das Set habe ich verschiedene Qualitäten gemischt, um eine perfekte Balance zu erhalten. Wir haben sie in einem ebenfalls 100% natürlichen Lösungsmittel (Triethylcitrat) verdünnt, um die Nase und die Schleimhaut für den täglichen Gebrauch zu schützen.

Warum sollte man die Riechfläschchen innerhalb von sechs Monaten aufbrauchen?Aromaöle halten doch viel länger.

Wir empfehlen generell, natürliche Öle nicht länger als sechs Monate zu verwenden, da es sich um empfindliche organische Materialien handelt. Die Öle oxidieren, einige der Bestandteile verdampfen und verlieren so sowohl ihren guten Geruch als auch ihre Kraft. Das gilt insbesondere für flüchtige Stoffe wie Zitrone oder Rose. Sie können dies mit einer Flasche Wein oder Fruchtsaft vergleichen, die Sie nach dem Öffnen auch nur einige Zeit unter guten Bedingungen aufbewahren können.

Riechtraining

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